Donnerstag, 25. November 2010

Gedanken eines werdenden Vaters, der eine Welt gebären soll

Zeit für einen neuen Eintrag, einen Monat nach dem Umzug in die Karolinengasse.
Wie schauts aus im Leben?
Abgesehen davon, dass ich sehr verkühlt bin und allerlei Dinge in alle Richtungen versuche und dadurch ziemlich planlos bin, schauts eh nicht so schlecht aus.
Ich weiss es eigentlich nicht, ob ich viel tue, oder gar nichts. Ich habe kein Gefühl dafür. Wenn ich auf mein Bankkonto schaue, sehe ich, dass ich zwar etwas, aber lange nicht genug tue.
Wenns danach geht, Ideen zu haben, Sprossen aus Samen zu kultivieren und langsam aber doch soziale Kontakte zu spinnen, dann bin ich recht fleissig.
Aber zu wenig ist es trotzdem.
Aber wahrscheinlich ist das der November, zumindest zum Teil.
Ich hab in mir drinnen einen Motor, einen Teil, ein etwas, das mich zwar sehr gerne hat und auch noch recht gut ernährt wirkt, aber dieses etwas meldet sich schon sehr oft in letzter Zeit mit Liebesreklamationen. “Aha, Du nennst Dich also größenwahnsinnig? Warum genau? Ist das alles nur ein romantisches Konstrukt und Du läufst genau auf die gleiche Mittelmäßigkeit wie die meisten anderen Mittelmäßigen zu? Wolltest Du nicht mehr? Mehr von Dir selber? Welt verändern? Du bist lächerlich! Du schaffst es nicht einmal 3 kilo abzunehmen!”
Und manchmal funkelts dann auf, die Vision, die Hoffnung, die süße Zuversicht. Ich weiss ja, dass ichs kann. Das Selbstbewusstsein ist drinnen eh tief verhaftet und seit ich hier in Wien einen Alltag habe sind viele der Unsicherheiten, die bei meinen Sommerbesuchen zwar keine Rolle gespielt haben, deren Existenz ich mir jedoch bewusst war, ganz von alleine gegangen.
Es ist gut, einen Alltag mit Caro (sowieso), Vera, Roberto, Mariano etc. zu haben.Das Leben in der Karolinengasse könnte besser kaum sein. Jetzt muss das nur auch noch was ausspucken, sodass ich mir im das leidige Kohlethema keine Sorgen machen muss.
Warum das so wichtig ist? Weil es mich selbst bestätigen würde, obwohl es mir vollkommen egal ist. Weil es mir die Freiheit geben würde, meinen Scheiss weiterhin nach meinem Schädl durchzusetzen und mich in keine Abhängigkeitsverhältnisse begeben müsste. Bisher habe ich das so geregelt, mit mehr oder minder gutem Erfolg (für mich selbst mit sehr sehr gutem Erfolg), dass ich einfach abgehauen bin. Keine Flucht aus Angst... gar nicht. Einfach aus demselben Grund, warum ich z.B. keine Kohlsprossen esse, obwohls nicht ungesund wäre: Wenn mir etwas nicht behagt, warum gibt es dann diesen heroismus, dass mans trotzdem durchziehen muss? Warum gilt abhauen pejorativ als Flucht? Ganz egal... einer der “Erfolge” ist, dass mir das eben ganz egal geworden ist.
Aber nun ist es einmal so, dass ich Vater werde und dass ich den Weg gewählt habe, dass mir das nicht wurscht ist.
Natürlich könnte ich sagen: egal, wir werden immer überleben, dank unseres 1-Welt-Systems und was kommt das kommt... Wir werden schon reagieren auf die Herausforderungen, die uns das Leben stellt.
Doch nein, nein, nein. Das ist genau zu wenig: Jetzt ist es an der Zeit, das Leben selbst zu fordern. Jetzt ist es an der Zeit die Ellbogen auszufahren und zu sagen: Jetzt gestalte ich. Denn jetzt bekomme ich eine Tochter oder einen Sohn und für dieses Wesen möchte ich einen Platz in dieser Welt gestalten. Nicht einen Käfig, oder eine Glasglocke, sondern eben eine Weltsicht. Denn eine Weltsicht wird dieses kleine Wesen ohnehin bekommen, sofern es mit Sinnesorganen auf die Welt kommt. Und dass ich diese auf prägende Weise mitgestalten werde, selbst wenn ich morgen sterbe ist seit Freud spätestens jedem klar.
Ich bin Vater, das heisst, jetzt muss ich für mich selber genau das tun, was mich bisher glücklich gemacht hat, was ich bisher für richtig gehalten habe, nur eben mit dem wichtigen Zusatz, dass mir jemand dabei zusieht, der das alles wie ein Schwamm aufnehmen wird (wasauchimmer dieser jemand dann damit machen wird). Und dieser jemand sind nicht meine Eltern, meine Lehrer, der Staat, das Leben. Es ist nicht irgendeine Entität, der ich aus einem sozialen Gefüge heraus irgendwie verpflichtet bin, aus einer Vertragssituation heraus, oder aus Liebe heraus. Nein... es sind die naiven und puren Augen eines Kindes, für die die Welt dann so aussieht, wie ich sie präsentiere oder eben genau nicht präsentiere.
Wenn ich eine Welt präsentiere, wo am Ende der Prinz die Prinzessin heiratet und sie glücklich bis ans Ende ihres Lebens leben ist, befriedige ich wahrscheinlich nur meine eigene Begierde danach, mein Kind glücklich zu sehen und werde wissend und verständnisvoll mit den Achseln zucken, wenn dieses Wesen das erste Mal von einem geliebten Menschen versetzt wird. Prinzen heiraten eben keine Prinzessinnen. Und in den seltensten Fällen leben die dann bis zu ihrem Lebensende glücklich und zufrieden. Und wie erkläre ich ihr das Klischee, dass die hübschen Prinzen und Prinzessinnen meist die dümmsten und gefährlichsten Menschen sind, selbst wenn sie nett und bunt in den Geschichtsbüchern oder Journalen präsentiert werden? Und leider ist es außerdem so, dass die tatsächlichen und indirekten Prinzessinnen diejenigen sind, auf dem man im echten Leben am wenigsten zählen will und kann. Also wozu der Schmus? Dennoch ist er wichtig, weil er Ästhetik und Harmonie vermittelt, wie Serenade von Tosselli oder irgendwas von Bach oder Mozart.
Andererseits wäre es auch verantwortungslos, dieser kleinen Person zum Einschlafen die Berichterstattung vom Afganistan-Krieg vorzulesen, oder die Leserbriefe aus der Kronenzeitung, um dann am Ende einen väterlichen Kuss zu geben und zu sagen, “Aber hier bist Du sicher” und selber genau zu wissen, woher mein Gewand kommt, woher das Benzin kommt, mit dem ich das Auto tanke, wenn wir die Landschaft verstinken, um irgendwohin in den Urlaub zu fahren, dass jeder 4. auf unseren sicheren Wiener Strassen schon derartig wohlstandsübersättigt ist, dass er aus paranioder Begeisterung sagt: “JA, ich wähle FPÖ, weil der einmal sich traut auf unsere Missstände hinzuzeigen. Endlich wer, der sagt, wie schlecht es uns geht unter diesen Regierungsbonzen. Und überhaupt die Ausländer...” Wie kann ich meinem Kind das Märchen von der Prinzessin und die Problematik der Welt erklären, und sie gleichzeitig drauf aufmerksam machen, dass in unserer heilsten Welt jeder 4. zumindest ein Vollidiot ist, ohne einen frustrierten Menschen zu schaffen?
Wie kann ich einen guten Menschen schaffen in dem Bewusstsein, dass wir nicht die Guten in dieser Geschichte sind, sondern eben die Sieger.
Aber das Schöne und Großartige daran ist, dass ich ja zum Glück niemanden schaffen muss. Das habe ich schon getan und damit fertigt. Samen abgegeben, kurz Gott gespielt, fertig. Der Rest ist einfach so, dass sich dieses Wesen selbst schaffen wird und mir hoffentlich die große Ehre zuteil werden wird, dass ich dabei zusehen und mitmachen darf. Zum Glück bin ich nicht Gott, sondern nur der Vota.
Gutso, und jetzt einmal rein in den Tag.

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