Samstag, 9. Oktober 2010

Frankfurter Buchmesse 2010

Wieder zurück in Wien. Gestern um etwa 3 Uhr in der Nacht sind wir mit dem Auto in Wien angekommen, nachdem ich ärgerlicherweise in Linz, glaub ich, in einer 100er Zone mit etwa 130 geblitzt worden bin (ich habe erst gemerkt, dass es eine hunderterzone war, als ich den Blitz im Rückspiegel gesehen habe). Egal, das wichtige war vorher.

Frankfurt ist/war ein Erlebnis. Nicht so sehr die Stadt, denn von ihr haben wir kaum etwas gesehen, sondern die Buchmesse. Die Menge an Menschen, die Menge an Ausstellern, die Größe der Hallen und der Geruch nach frisch bedrucktem Papier sind einfach überwältigend.

Und auch wenn man sich klein und unbedeutend fühlt gibt es eine gewisse Dankbarkeit, dort einmal dabeigewesen zu sein. Nicht aus einem übertriebenen Respektsgefühl heraus, denn dafür bin ich zu wenig Leseratte, sondern weil man selbst als kleiner Herausgeber von vielen bemerkt wird und auf viel Interesse stößt.

Das war also die Frankfurter Buchmesse 2010, mit Ehrengast Argentinien. Der argentinische Teil war eher nüchtern gehalten, um es euphemistisch zu sagen... oder vielleicht hat es einfach danach ausgesehen, als ob sich irgendjemand die Hälfte des Budgets eingesteckt hat und für den Rest ein paar Fahnen von Maradona, Borges, Cortazar, Che Guevara und Cristina Kirchner aufgehängt hat. Und dieser Gedanke stammt nicht einmal von mir, sondern von Argentiniern, die dort waren, und dies v.a. über die diesbezügliche Ausstellung im jüdischen Museum von Berlin gemeint haben. However, dasselbe gilt, denke ich für die Buchmesse. Im Pavillon von Argentinien war insgesamt ein größeres Buchregal, und der Rest war Geschichtsdarstellung (immer auf ein semi-subtil positives Aussteigen des Peronismus und der Kirchners orientiert) und die Präsentation von Schriftstellern, die ohnehin schon im Olymp der Weltliteratur sind (Sabato, Borges, Cortazar, etc). Bezeichnend war auch, dass bei der Präsentation der Feierlichkeiten zum Bicentenario v.a. Fotos von Christina ausgestellt waren... doch das nur am Rande. Urteile, wie dass die reichehaltige Clique an "jüngeren" argentinischen Autoren zu kurz gekommen ist (Eloy Maritnez, Puig, etcetc...), überlasse ich denjenigen, die sich in der argentinischen Literatur besser auskennen, bzw. auch mehr Schriftsteller kennen. Zumindest hätte ich einem derjenigen den Vorrang gegenüber Maradona gegeben ;-).
Doch zurück zum jüdischen Museum. Die Ausstellung bezüglich Argentinien war sowohl in Berlin als aus in Frankfurt von unserem alten Bekannten Elio Kapzuc organisiert. Fredi und Patricia meinten, dass sie sich bei der Berliner Ausstellung genieren mussten. Die Frankfurter Ausstellung war zumindest bunt und kreativ. Ein "Unwissender" könnte sogar begeistert sein, weil teilweise recht gute Ideen von Künstlern verwirklicht worden sind, wie z.B. die Wand mit Portraits: diese gezeichneten 600 Portraits wurden jedes in einem 10-Minuten Video eine Sekunde lang gezeigt. Jedes einzelne Portrait stand für 10.000 im Holocaust ermordete Juden. Wenn man jedem ein eigenes Portrait widmen würde, und dieses in dem Video eine Sekunde lang zeigen würde, bräuchte man nicht 10 Minuten, sondern knapp 70 Tage...
Wie dem auch sei. Die Ausstellung war bunt und patriotisch (argentinsch-jüdisch). Auffallend war, dass bei der Präsentation prominenter argentinischer Juden kein einziger Linker vorkam (wie etwa Alfredo Bauer, oder Leon Rozitchner), aber well... das ist eben das, was ich meine: Für einen, der das Thema nicht kennt, wird eine homogene jüdische Gemeinde gezeigt. Für jemanden, ders weiß sieht man, dass hier eine Ausstellung eines bürgerlichen Vertreters der jüdischen Lobby gemacht wurde, die den tendenziell rechten Teil der AMIA vertritt. Aber vielleicht geht das zu sehr ins Detail...
Unsere Präsentation im jüdischen Museum, d.h. die von Eva Eisenstädt und unsere, war sehr gut. Trotz sehr großer Konkurrenz war der Saal voll (etwa 50 Menschen) und es kam zu einer interessanten Podiumsdiskussion zwischen Eva, Fredi und mir, geleitet von Michael Baiculescu.
Michael meinte beim nach-hause-gehen, nachdem er uns alle in eine argentinische Parrilla eingeladen hatte, dass sich die Weisheit bewahrheitet hatte: "Je besser eine Veranstaltung, desto weniger Bücher verkauft man".
Klar, die Menschen fühlen sich informiert und sehen keine Notwendigkeit mehr, ein Buch zu dem Thema zu lesen. Bitter ;-).
Aus jeden Fall war die Begegnung mit den Leuten vom Mandelbaum Verlag (Michael, Elisabeth, Kathrin und indirekt natürlich Eva) sehr positiv. Dank Kathrin konnten wir auch privat in Hausen um 50,- statt 150,- Euro bei Sylvia und Steffi schlafen.
Eine Begegnung muss ich auch noch herrausstreichen: Osvaldo Bayer.
Osvaldo Bayer war mit seinen weit über 80 Jahren wahrscheinlich die prägendste Persönlichkeit, die mir in dem Zusammenhang begegnet ist. Nicht nur, dass ich schon in meinen historischen Recherchen zu einem großen Bewunderer seiner Arbeiten geworden bin, war es außerdem so, dass er gestern seinen neuen Film "Rebelde Amanecer" präsentiert hat, einen Film über die historische und aktuelle Ausbeutung der Urbevölkerung in Argentinien.
Osvaldos Familie lebt seit der Diktatur in Deutschland, doch er pendelt nach wie vor, weil er auf unermüdliche Weise für historische Aufklärung (in einem linken Sinn) kämpft und unterstützt von namhaften Autoren, wie etwa Felipe Pigna, die offiziellen Versionen der argentinischen Geschichte dekonstruiert.
Ich konnte ihm ein Buch schenken und Grüße von Alfredo Bauer ausrichten, einem seiner alten Mitstreiter.
Die Doku Rebelde Amanecer hat mich stark beeindruckt.

Was sonst bleibt sind die Erinnerungen an unendliche Gänge voller Bücher, Reinhold Messner, schlechtes und teures Fast Food Essen, überhaupt eine übertrieben überteuerte Stadt, tolle Eindrücke von den Verlagen und freundschaftliche Bilder unserer Kollegen.
Wie gehts jetzt weiter? Das wird sich herausstellen. Ich muss aber wieder einmal ein Buch schreiben, damit ich noch einmal einen Grund habe, nach Frankfurt zu fahren, so viel ist sicher ;-).

Leicht Jung Frisch

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Zufallsbild

homepageImg1468

Aktuelle Beiträge

Ein wichtiger Punkt
Dass meine Familie, in Form von Hansi in die Gastro...
AlVince - 16. Mär, 02:39
Neunter Jänner
Knapp vor den 40... und eigentlich vorher völlig unterbewusst...
AlVince - 9. Jan, 01:18
Sommer 2019 - für die...
Ich hatte einen großartigen Sommer, auch wenn ich jetzt...
AlVince - 5. Okt, 12:44
Gedenken an den Pogrom...
Die zionistischen Geldjuden waren es, die Rothschilds...
AlVince - 9. Nov, 12:37
Fuenfunddreissig
Fuenfter Maerz 2015, es war schon der dritte Geburtstag,...
AlVince - 5. Mär, 17:21

Archiv

Oktober 2010
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 1 
 2 
 3 
 5 
 6 
 7 
 8 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
 

Suche

 

Status

Online seit 6854 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 16. Mär, 02:39

Profil
Abmelden
Weblog abonnieren