Samstag, 25. Januar 2014

Wiener "Akademiker"Ball 2014

Kurze Stellungnahme zum heutigen Ereignis in der Hauptstadt der Alpeninsel.
Das, was heute in der Wiener Innenstadt passiert ist, sowie der gesamte Diskurs (d.h. Stellungnahmen, Verordnungen, offene Briefe, Rufe, Aktionen, Taktiken, Machtverhältnisse, Sprachspiele, etc) rundherum ist leider wieder einmal ein schlimmes Armutszeichen der politischen Kultur in diesem Land.
Um es kurz zusammenzufassen, so “objektiv” wie möglich: In einem der geschichtsträchtigsten Gebäude der jüngeren österreichischen Geschichte erlaubt die private Gesellschaft, die dieses Gebäude vermietet, dass der mittlerweile von einer rechtsnationalen Partei veranstaltete Tanz stattfindet, bei dem sich Menschen vernetzen, die ihr politisches Kapital aus Hetze, Demagogie und Populismus schöpfen und sobald sie in Regierungssituationen kommen, Schaden anrichten, der Prozesse über Jahrzehnte nach sich zieht. Unter den Gästen befindet sich eine Mehrheit, die sich zum deutschen Kulturtum bekennt sowie ein großer Teil, dessen Gesinnung sich nach dem Verbotsgesetz jenseits der Legalität befindet. Auf die fragwürdigen Praxen des Säbelkampfes möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen.
Zurück zum Thema. Wieder findet dieser Ball eben trotz massiver Proteste (diesmal sogar von Nationalratspräsidentin, Kulturstadtrat etc.) in der Hofburg statt.
Diesmal unter noch höherem Polizeischutz, diesmal sogar unter Einschränkung der Pressefreiheit.
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Um den Wickel zu vermeiden, wagt sich die Polizei sogar mittlerweile schon so weit heraus, dass sie es sich mit den Journalisten anlegt.
Vermummen (Schal tragen) wird verboten, spontan entwickelt sich eine Facebook-Kampagne.
Die friedliche Demo wird verboten, der erste Bezirk zur Sperrzone erklärt. Tausende Polizisten, unendlich viele dröhnende Polizeiautos und überstrapazierte Polizisten, die aufs Schlimmste gefasst sind.
Damit die Burschenschafter in der Hofburg tanzen dürfen, weil es ihr "demokratisches Recht" ist.
Auf der anderen Seite einige Demonstrationszüge, voll von halbalternativen Akademikern, Studenten, Grünwählern, Falter- und Standardlesern, Kommunisten, Anarchisten, Sozialisten, Hippies etc… und der “schwarze Block”… der gefürchtete schwarze Block.
Die Polizei hatte im Vorfeld alles verboten. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen, die auf legale Weise friedliche Proteste angemeldet haben wurden aufs lächerlichste eingeschränkt.
Warum? Damit die Burschenschafter, äh Akademiker, tanzen können, ungestört.
Und außerdem ist es in den vergangenen Jahren zu Zwischenfällen gekommen: vereinzelt wurden Ballbesucher bespuckt und mit Farbbeuteln geworden. Irgendwer soll sogar verletzt worden sein.
Warum? Damit die Burschenschafter in der Hofburg tanzen können.
Nun kam es zu massiven Zwischenfällen, großen Sachschäden, der schwarze Block war entfesselt. Demonstranten wurden verletzt, sogar Journalisten hat es erwischt… In der Hofburg wird getanzt.
Ich stand beim Burgtheater, dann mitten am Ring. Rechts und links von mir fuhren oft Polizeiautos mit unverantwortlicher Geschwindigkeit vorbei, auf Menschengruppen zu. Es war, und ich meine jetzt den ausschließlich friedlichen Teil der Demo eine permanente Bedrohung von der Polizei. Auf einmal haben die dann unmotiviert begonnen, Pfefferspray einzusetzen. Die Stimmung wurde aufgeheizter. Natürlich gibt es Menschen, die sich nicht gerne herumschieben lassen, die dann auch auf den Bullen losgehen… nicht um das zu verteidigen, aber das ist wohl das natürlichste der Welt. Zu diesem Zweck wurden Deeskalationsstrategien erfunden, die heute erfolgreich von der Wiener Polizei ignoriert worden sind.
Heute war das Motto “A Rua is!”
Auf der anderen Seite war das nicht überraschende Motto: “Jetzt erst recht”, wie man es sich ja auch von einem aufgeklärten demokratischen Bürger mit politischer Moral erwartet.
Und warum? Damit sie in der Hofburg tanzen können.
Vollkommen sinnlos die ganze Aktion von allen Seiten. Der einzige Sinn, den es gehabt haben könnte ist, dass vielleicht weniger Gäste kommen, dass vielleicht weniger Taxis in die Zone fahren…
Wie auch immer, in der Hofburg wird getanzt, zum Wohle der deutschen Nation und Kultur.
Und jetzt der frustrierende Punkt an der Sache. Nicht nur, dass sich die Polizei blamiert, weil sie die Burschenschafter schützt und als Opfer sogar Straßenkämpfe mit irgendwelchen Wahnsinnigen in auf nimmt. Nicht nur, dass die österreichische Protestbewegung unfähig dazu ist, einen funktionierenden Protestmarsch zu organisieren, der nicht aus den Fugen gerät (was letztes Jahr gut funktioniert hat - man muss auch zur Verteidigung der Organisatoren sagen, dass die Polizei kaum Möglichkeiten offengelassen hat). Nicht nur, dass dieses Theater nur deswegen stattfindet, weil Rechtsradikale in der Hofburg tanzen und die Politik quasi meint: “Wir sind eh dagegen, aber die Hofburg wird von einer privaten Agentur verwaltet und da können wir uns nicht einmischen.” (hier der antikapitalistische Aspekt)
Die Kirsche auf diesem Cocktail der Peinlichkeit und Unfähigkeit ist die mediale Berichterstattung rund um das Ereignis, gewürzt mit den darunterstehenden Online-Foren bzw. den jeweiligen User-Ergüssen.
Bunte Fotos von schlagenden vermummten Menschen, zerstörte Polizeiautos, Chaos, Verwüstung und Anarchie wird da vermittelt. Die Innenstadt war in einem bürgerkriegsähnlichen Zustand, will man glauben. Die linken Chaoten wurden entbändigt und bedrohen unsere Demokratie.
Alle, die an sich gegen die Burschenschafter sind, bzw. dagegen, dass sie in der Hofburg tanzen, baden sich in Tiraden gegen die Blödheit und Gefahr des Schwatzen Blocks… alle haben auf einmal Angst um ihr Leben.
Rechter Terror und linker Terror werden auf einmal gleichgesetzt, als wäre es das selbstverständlichste der Welt.
Die Wähler laufen der FPÖ angeblich zu… warum? Weil die linken Radaubrüder umgehen…
Niemand berichtet von den Verletzten unter den friedlichen Demonstranten. Kaum jemand berichtet über die mehr als ungeschickte Verhaltensweise der Polizei…
Und dabei wäre es so einfach… es wäre alles so einfach zu verstehen und zu klären:
Holocaustüberlebende und Intellektuelle warnen seit Jahren in offenen Briefen davor, dass man die, die dieses Kapitel österreichischer Vergangenheit ständig schmälern, leugnen oder sogar hochleben lassen an einem derartigen Platz wie der Hofburg tanzen lässt.
Anstatt etwas politisch dagegen zu tun, schiebt man den Ball der Exekutive zu, die jährlich “genervter” von diesen Kids und ihren “Alerta, alerta…”- oder “Wiener Polizisten, schützen die Faschisten”-Sprüchen sind. Die sind sichtlich überfordert, bzw. über die AUF auch blau-braun eingefärbt und wirken auf viele Arten und Weisen, aber sicherlich nicht beruhigend.
Die Protestbewegung sieht, dass man den Ball zwar nicht verhindern kann, doch dass jährlich weniger Besucher kommen.
Und abgesehen davon, dass es eine moralische Pflicht ist, gegen Veranstaltungen rechtsradikaler Vereinigungen zu protestieren ,sieht man, dass man schrittweise Erfolge hat. Also weitermachen…
Und in der Hofburg wird gerade getanzt.
Der Online-Kommentar-Mob hat die fechtenden, saufenden Testosteron-Teutschen ganz vergessen und fallen über die Zerstörungen her, als wären sie der eigentliche Skandal.
In der Diskussion der Halbintellektuellen geht es nur mehr darum, ob man durch solche Proteste nun Strache nicht eigentlich hilft, oder ob die dann aufgrund ihrer mehrheitlichen Friedlichkeit nicht doch sinnvoll sind.
Aber alle, ja alle klopfen sich gegenseitig auf die Schulter wenn man sich einig ist, dass sowas wie der schwarze Block der eigentliche Kern des Übels ist.
NEIN, die Sache ist ganz einfach: Faschisten nicht in der Hofburg tanzen lassen, sondern irgendwo anders (Punks dürfen ihre Konzerte auch nicht in der Staatsoper feiern), dann bleibt auch der schwarze Block zuhause. Ist das wirklich so schwer?
Sind die Zeitungsleser in Wien wirklich so dämlich, dass sie tatsächlich glauben, dass das Problem eine zerschlagene Auslagenscheibe im Ersten Bezirk ist? Sind sie politisch wirklich so ungebildet und dumm, dass sie glauben, dass Sachbeschädigung und lautstarke Proteste gleichzusetzen sind mit brennenden Asylantenheimen? Ausgrenzungspolitik? Briefbomben? Verschandelten Friedhöfen? Xenophobie? Homophonie? Antiislamismus bis Antisemitismus? Zelebrierter Alkoholismus und Selbstverstümmelung? Das soll wirklich das gleiche sein?
Nein, stop: sollen sie Burschis doch saufen und sich selbst verstümmeln, mir egal… und Homophonie, Antisemitismus etc. gibt es in der Linken auch teilweise…
Aber könnte die politische Klasse in Österreich endlich begreifen, dass im Sinne des (spieß)bürgerlichen Friedens, den wie alle genießen, die Hofburg kein Ort für diesen Ball ist?

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