"In guten wie in schlechten Zeiten”
Erlebnisse mit Frau Maria Mühlbauer* (MA35 Fremdenpolizei)
Carolina (Argentinierin) und ich (Österreicher) sind seit etwas mehr als einem Jahr verheiratet. Genauer gesagt, wir haben am 15.5.2009 in einem Standesamt in Buenos Aires (Argentinien) geheiratet, nachdem ich die vorangegangenen 4 Jahre bereits in besagter Stadt gelebt hatte. Seither leben wir gemeinsam und waren keinen einzigen Tag getrennt. Dafür gibt es Zeugen und Beweise. Schon vor der Hochzeit habe ich mich bei der österreichischen Botschaft in Buenos Aires erkundigt, welche die erforderlichen Schritte seien, damit meine Frau sich legal in Österreich aufhalten bzw. vielleicht sogar arbeiten kann. Erstens hatten wir nämlich zu jenem Zeitpunkt bereits zwei Tickets nach Wien, da ich jedes Jahr während der Sommermonate in Wien (oder zumindest in Europa) bin. Für meine Frau war es ihr erster Besuch in Österreich. Zweitens will ich gar kein Geheimnis daraus machen, dass die Annahme, dass verheiratet zu sein eine gewisse Erleichterung im Umgang mit der Bürokratie bedeuten würde, eines der vielen Argumente war, die uns tatsächlich zu einer offiziellen Eheschließung veranlasste. Zumindest dachten wir das, aber Österreich überrascht einen immer wieder. Warum wir in Argentinien geheiratet haben? Weil ich vom Hörensagen wusste/dachte, dass Visa für Verheiratete immer vom Heimatland des/der AusländerIn beantragt werden müssten. Jedenfalls wurde ich von den durchaus hilfreichen und freundlichen Mitarbeitern in der österreichischen Botschaft in Buenos Aires eines besseren belehrt, dass es nämlich bei einer Beantragung von Buenos Aires aus lediglich länger dauern würde, als wenn wir in Wien direkt zur MA35 gehen würden. Gut.
Carolinas Geburtsurkunde wurde von der argentinischen Behörde beglaubigt, das Führungszeugnis wurde von der argentinischen Behörde beglaubigt, die Heiratsurkunde wurde von der argentinischen Behörde beglaubigt. Dann wurde das alles von einem beglaubigten Übersetzer beglaubigt ins Deutsche übersetzt (ich will gar nicht erst beginnen, darüber zu schreiben, wie viel eine Übersetzung für derartige Standard-Dokumente kostet) und dann (samt Übersetzung) mit der Den Haager Apostilie versehen, die diese Dokumente auch in Österreich gültig machen. Insgesamt kostete uns diese Vorphase an die 300,- Euro.
Ich selbst war in Österreich Student gewesen, war meist geringfügig in der Gastronomie beschäftigt und bin 2004 nach Argentinien gereist, um dort für die Universität Wien meine Diplomarbeit zu schreiben. Ich schloss das Studium der Philosophie udn Politikwissenschaft Anfang 2008 auch tatsächlich erfolgreich ab. Seit 2006 war ich in Argentinien (abgesehen von Übersetzungstätigkeiten, die mir den Unterhalt sicherten) damit beschäftigt, das Gedenkprojekt “Verlorene Nachbarschaft Buenos Aires - Wien 2008” (www.verlorene-nachbarschaft.at) zu initiieren und zu organisieren, welches mit Unterstützung des Außenministeriums, des Bundeskanzleramts, des Wissenschaftsministeriums und einigen anderen (österreichischen und argentinischen) Institutionen auch überaus erfolgreich von 26.10. bis 9.11.2008 unter prominenter österreichischer und argentinischer Beteiligung stattfand (Teilnehmer waren unter vielen anderen z.B. der Präsident des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs Clemens Jabloner, der damaliger Kulturstaatsekretär Argentiniens José Nun und der Präsident des argentinischen jüdischen Dachverbandes DAIA Aldo Donzis. Den Ehrenschutz für das Projekt übernahmen die argentinische Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner und der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer. Abgesehen von den Dankesschreiben vieler Beteiligten gibt es bezüglich des Projektes einen persönlichen Brief der damaligen Botschafterin Österreichs Gudrun Graf an mich, in dem sie betont, wie professionell und erfolgreich dieses Projekt dank meines Einsatzes verwirklicht werden konnte. Doch das ist ein anderes Thema.).
Mit all dem war allerdings verbunden, dass ich keinerlei Einkommen in Österreich nachweisen konnte und somit auch seit meinem Studiumsabschluss keinerlei Sozialversicherung hatte. Dies wurde meiner Frau dann bei der MA35 in der Dresdner Straße in Wien zum Verhängnis, da uns von einer dortigen Juristin erklärt wurde, dass es sinnlos sei, eine Aufenthaltsbewilligung für Carolina zu beantragen, wenn ich kein Einkommen, keine Sozialversicherung und keine eigene Wohnung hätte (wir wohnten damals wie heute bei meinen Eltern im 8.Bezirk). Außerdem müssten wir uns während des Verfahrens in Österreich aufhalten, also hätten wir im Juni 2009 dann einen für Juli geplanten Urlaub absagen müssen.
Als ich dann Mitte August dennoch beantragen wollte war Carolinas Führungszeugnis bereits abgelaufen (3 Monate Gültigkeitsfrist) und somit waren sowohl Übersetzung als auch Apostilie verloren. Vielleicht meine Schuld, wenn ich die Schuld wirklich bei mir suchen will. Ich hätte ja anstatt auf Urlaub zu fahren auch eine Arbeit suchen können, damit ich, so wie es traditionell offenbar erwartet wird, meine nicht arbeitstätige Frau erhalte. Eine Alternative wäre gewesen, dass Carolina von einem Unternehmen einen das Unternehmen (auf ein Jahr, glaube ich mich zu erinnern) verpflichtenden Vorvertrag bekommt. Doch schon bei kurzem Nachdenken erkennt man, dass die Bezeichnung “Alternative” eine simple Chuzpe darstellt.
Dass ich selbst kein regelmäßiges Einkommen hatte sollte auch kein Problem darstellen, da ich einfach nur mit meinen Eltern, einen einklagbaren Unterhaltsvertrag abschließen müsste (Dieser müsste von einem Notar beglaubigt werden, etc... d.h. weitere erhebliche Kosten). Mein Vater hätte ein Nettoeinkommen von über Euro 3.000,- vorlegen müssen (ich kann mich an die exakte Zahl nicht erinnern).
Da ich zu jenem Zeitpunkt aber bereits wusste, dass wir uns ab Oktober für einen längeren Zeitraum in Argentinien aufhalten würden, da ich an einer Publikation über unser Projekt arbeitete (“Verlorene Nachbarschaft. Jüdische Emigration von der Donau an den Rio de la Plata”; Mandelbaum Verlag: Wien 2009), hätte a) die Zeit für eine Antragsbearbeitung nicht ausgereicht und b) akzeptierte ich das Bürokratie-Motto, dass nun einmal kein Aufenthaltstitel vergeben wird, wenn sich die jeweilige Person ohnehin nicht in Österreich aufhält.
Außerdem wurde mir bei der MA35 beteuert, dass ich das Visum doch von Argentinien aus beantragen solle, über die österreichische Botschaft. Also zurück zum Start.
In Buenos Aires angekommen war einer meiner ersten Wege also wieder zur österreichischen Botschaft, wo die Ratschläge der MA35 mit Kopfschütteln akzeptiert wurden. Jedoch gab es seit Neuem eine Regelung, wonach Anträge aus dem Ausland mit einer zusätzlichen Gebühr versehen werden und daher der Antrag erheblich teurer werden würde. Und da unser Rückflugticket nach Österreich erst für Mai 2010 datiert war, entschieden wir in Absprache mit der Botschaft, einmal abzuwarten und bei einem längeren Österreichaufenthalt einfach in Wien zu beantragen.
Kurz vor unserer Abreise im Mai 2010 nach Wien ließ sich Carolina erneut ein Führungszeugnis ausstellen, welcher wiederum beglaubigt und beglaubigt übersetzt wurde. Ich selbst fand in Wien ein weiteres Mal eine geringfügige Anstellung und konnte so bei der Wiener Gebietskrankenkassa meine Frau mitversichern. Bei der MA35 Fremdenpolizei wurden wir dann auf die für einen Antrag notwendigen Dokumente aufmerksam gemacht, sowie dass wir gar nicht in der Dresdner Straße, sondern bei der zuständigen Nebenstelle am Friedrich Schmidt Platz einreichen müssen.
Als die Versicherungsbestätigung und das Führungszeugnis fertig waren, gingen wir letztendlich am 22.6.2010, d.h. ca 6 Wochen nach unserer Ankunft mit den erforderlichen Dokumenten zu besagter Nebenstelle und begannen das Abenteuer der Beantragung.
Zur MA 35 ist zu sagen, dass es sich um einen unübersichtlichen Bereich in einem Amtsgebäude am Friedrich Schmidt-Platz handelt. Als Person mit deutscher Muttersprache kennt man sich (trotz akademischer Erfahrung mit Amtsgebäuden) dort nicht aus. Dankenswerterweise sah ein wartender türkischer Antragsteller, dass wir verloren herumirrten und erklärte mir die Logistik der Örtlichkeit. Nebenbei sei bemerkt, dass kein einziges Türschild, kein einziger Richtungspfeil (sofern vorhanden), noch sonst irgendein Hinweis auf einer anderen Sprache als auf deutsch vorhanden wäre. Österreichische Gastfreundlichkeit eben. Dass die verzweifelten Antragsteller sich dann mit Fragen auf jegliche Person stürzen, die aus einer sich öffnenden Tür kommt ist zwar verständlich, wird aber meist von den logischerweise entnervten Beamten mit Schroffheit und Präpotenz erwidert, wobei viele dem weit verbreiteten Irrtum unterliegen, dass man mit Menschen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, einfach überdeutlich im Infinitiv schreien muss, damit sie einen verstehen. Aber so ist das eben. Es zwingt sie ja keiner, nach Österreich zu kommen.
Jedenfalls muss man dort dann eine Nummer ziehen, mit der man sich danach, sobald man aufgerufen wird anmelden kann. Die Dame bei der Anmeldung nahm dies zur Kenntnis und schickte uns einfach wieder in den Wartebereich. Dass wir darauf warten sollten, wieder aufgerufen zu werden, konnte ich nur raten. Letztendlich wurden wir jedoch aufgerufen und kamen zu einer jüngeren Dame, die den Antrag letztlich aufnahm. Ich wurde zum Zahlen geschickt. Als ich mit Carolina in das Zimmer eintrat, wo man reuemütig - selbstverständlich kommt der Beamtenapparat in der MA35 gänzlich ohne die Worte “Bitte” oder “Danke” aus - weitere 80 Euro zahlen darf, wurden wir laut angeschnauzt, dass schon hundert Mal gesagt wurde, dass nur die Antragstellerin alleine eintreten darf. Gut, also musste Carolina alleine zahlen. Zurück bei der Bearbeiterin wurde uns mitgeteilt, dass wir am 3.8 um 8 Uhr wiederkommen müssen und dann einige fehlende Dokumente vorweisen müssen, darunter ein Staatsbürgerschaftsnachweis meiner Person (obwohl sie bereits Kopien meines Reisepasses hatten, Kostenpunkt Euro 40,-) und einen Auszug aus dem Kreditschutzverband (obwohl sie bereits mein Bankkonto kannten; Kostenpunkt Euro 30,-). Außerdem muss ich einen Mietvertrag, einen Einkommensbeleg und eine Versicherungsbestätigung von mir vorlegen. Da wir bei meinen Eltern wohnen und der Mietvertrag auf den Namen meines Vaters läuft, wurde dieser kopiert und eine Mietrechtsvereinbarung mit meinem Vater gefertigt. Da ich als geringfügig Beschäftigter einen Monatslohn von 60 Euro habe, brachte ich die Bestätigung eines Kontos, auf dem von mir ersparte Euro 12.000,- enthalten sind.
Am 3.August, d.h. fast drei Monate nach unserer Ankunft, in denen Carolina nicht arbeiten bzw. Geld verdienen durfte, kehrten wir also in die MA35 mit allen erforderlichen Dokumenten und guter Hoffnung zurück. Diese Hoffnungen stellten sich als Naivitäten heraus als wir Frau Mühlbauer* kennenlernten, die offenbar leider ohne die gesellschaftlich üblichen Höflichkeiten geboren wurde und den Charme eines alten Krokodils uns gegenüber ausstrahlte. Sie kontrollierte weitaus wortlos die Dokumente und machte uns darauf aufmerksam, dass Carolina jetzt bald wieder ausreisen müsse, da ihr Touristenvisum nach 3 Monaten ablaufe. Ich sagte ihr, dass mir erklärt wurde, dass die Bearbeitung eines Antrags für ein Visum für Familienangehörige bis zu drei Monaten dauern würde und dass ich eigentlich in nächster Zeit ein Ergebnis erhofft hätte. Darauf erwiderte sie, dass sie nichts dafür könne, wenn wir seit unserer Ankunft 6 Wochen “verschlafen” bis zum Antrag (ich erinnere daran, dass wir auf die Übersetzung und Beglaubigung des Führungszeugnisses, sowie auf die Versicherungsbestätigung warten hatten müssen) und dann nicht alle erforderlichen Dokumente bringen. Ich entgegnete, dass wir sehr wohl alle erforderlichen Dokumente hatten, doch Dinge wie beispielsweise mein Staatsbürgerschaftsnachweis und mein Versicherungsnachweis nicht auf der Liste der erforderlichen Dokumente enthalten waren. Darauf entgegnete sie mit bereits erwähntem Charme: “Wenn sie nicht zusammenarbeiten wollen, dann wird nichts draus.”
Trotz ansteigender Frustration und unglaublichem Ärger, der sich langsam menschlich in mir aufstaute, blieb ich höflich und machte sie darauf aufmerksam, dass es ein bilaterales Abkommen zwischen Argentinien und Österreich gäbe, wonach die Angehörigen besagter Staaten 6 Monate im anderen Land bleiben dürfen. Das glaube sie nicht, sagte sie und wies mich darauf hin, dass Carolina Probleme mit der Fremdenpolizei bekommen könne. Ich entgegnete überrascht, dass wir doch gerade bei der Fremdenpolizei seien, worauf Frau Mühlbauer* kurz stotterte und letztlich meinte, dass sie “nur ausführende Organe seien”. Um einen Konflikt zu vermeiden fragte ich nicht weiter nach.
An einer Schilderung unserer Geschichte (nach Jahren der kulturellen Arbeit planen wir einen Neuanfang in Österreich, da das Projekt Verlorene Nachbarschaft nun zu Ende geht) war sie gänzlich uninteressiert und bezweifelte zurecht, dass man von 60 Euro im Monat (meine geringfügige Beschäftigung) leben könne. Darauf entgegnete ich, dass sich im September arbeitsmäßig bei mir einige Dinge entscheiden würden und dass es umso wichtiger wäre, dass Carolina endlich arbeiten könne. Nein, ich müsse sie erhalten, meinte Frau Mühlbauer*. Und auf den Hinweis, dass dies nicht einfach sei, wenn ein Teil der Ehepartner nicht arbeiten darf lächelte sie zynisch und sagte: “Bei der Heirat haben sie einander doch geschworen: in guten wie in schlechten Zeiten... na also!”
Solange man auf die Bürokratie angewiesen ist sind das wahrhaft “schlechte Zeiten”, doch das habe ich Frau Mühlbauer* nicht gesagt.
Insgesamt meinte sie dann, dass der Antrag nicht besonders gut aussieht, da die vorgewiesenen 12.000,- Euro zu wenig seien und ich entweder ein Nettogehalt von 1.200,- Euro so schnell wie möglich vorweisen solle, oder dass sich Caro einen Vorvertrag mit einem Arbeitgeber besorgen solle (über eine ähnliche Höhe). Sie fragte Caro, was sie denn gerne in Österreich arbeiten würde, worauf diese “Yogalehrerin” antwortete. Mit einem herablassenden Lächeln wurde dies dann von Frau Mühlbauer* im Antrag vermerkt. Ich entgegnete noch, dass 12.000,- Euro demnach ja 10 Monate gesicherter Unterhalt seien, doch die Dame meinte: “Ja und wie stellen sie sich dann die Zukunft vor? Für die Zukunft ist das zu wenig.” Ich meinte: “In Zukunft hoffe ich, dass Carolina auch arbeiten darf”. “Das wird sich zeigen”, meinte Frau Mühlbauer*.
“Wie geht’s denn jetzt weiter?” fragte ich sie. Wir sollen einmal ausreisen. Der Bescheid wird dann auf unsere Wohnadresse zugestellt, nachdem er von einer Juristin bearbeitet wurde. Sollte dieser negativ sein, bekommen wir in ohnehin in drei Wochen, meinte Frau Mühlbauer*.
Bleibt nur zu hoffen, dass die Dame in der juristischen Abteilung mehr Feingefühl hat als die Leiterin der Einwanderungsabteilung am Friedrich Schmidt Platz.
Carolina hat mir am Heimweg gesagt, “Reisen wir doch einfach nach Bratislava aus.” Seit ich meinen Eltern die Geschichte vor 2 Stunden erzählt habe, machen die sich Gedanken darüber, wie wir/ich die 1.200,- Euro netto monatlich auftreiben könne. Ich selbst bin einfach nur fassungslos darüber, mit welcher Präpotenz einem die Bürokratie des siebt-reichsten Landes der Welt begegnet, nachdem man hunderte Euro in Dokumente und Stempel und unzählbare Stunden in Wartezonen investiert hat. Ich begegne anderen Menschen immer mit Höflichkeit und in den meisten Fällen sogar mir Freundlichkeit, da ich z.B. Verständnis für Menschen aufbringe, die im beruflichen Leben täglich mit schwierigen Fällen von Einwanderern zu tun haben. Doch bei Carolina und mir handelt es sich keineswegs um einen schwierigen Fall. Ich bin ein klassisch links-bürgerlicher Josefstädter Akademiker, der nun mit seiner Frau, mit der er seit über einem Jahr verheiratet zusammenlebt nach Wien, seine Geburtsstadt, ziehen will um vielleicht eine Familie und ein Unternehmen zu gründen. Doch dass man fast 6 Jahre im Ausland zugebracht hat wird nicht gutgeheissen, sondern indirekt sogar bestraft, da ich über kein regelmäßiges Einkommen in Österreich verfüge. Eigentlich werde nicht ich, sondern meine Frau dafür bestraft, dass ich in Argentinien war. Wie wollen sie einfach nicht hier. Wir brauchen sie nicht. Wir sind lieber wir, denn Ausländer sind meist ohnehin sehr nahe an der Kriminalität. Und trotzdem hört man an allen Ecken und Enden in der Bevölkerung, dass bei uns die Türen und Tore für Ausländer zu weit offen stehen, dass “die Linken” die alle ins Land holen wollen.
Und ich frage mich: Wenn ein Mensch nach Österreich kommt (aus welchem Grund auch immer) und noch dazu das nicht unwahrscheinliche Pech hat dem gehaltsmäßigen Durchschnitt eines Landes anzugehören, das nicht eines der 6 Länder ist, die in der Rangliste vor Österreich stehen, was soll er dann diese Monate lang machen, die er tatenlos auf seinen Bescheid warten muss? Er muss im Land sein, doch er darf nicht arbeiten. Er muss einen Vorvertrag auftreiben, in dem die Firma ein Gehalt garantiert, ohne Erfahrung mit besagter Person zu haben. Familie in Österreich zu haben, reicht allein nicht mehr aus. 12.000 Euro am Konto reichen auch nicht aus. Und dann wundert man sich, dass Menschen in die Kriminalität (und sei es “nur” Schwarzarbeit) abdriften, wenn das wahre Verbrechen das ist, einem Menschen das Recht auf Arbeit zu verweigern. Und dann wundert man sich weiters, wie Ausländer-Kriminalitäts-Statistiken zustande kommen? Und dann wundern sich andere wiederum, wieso Hetzer wie HC Strache und Kollegen derartigen Erfolg haben?
Am liebsten würde ich meine Staatsbürgerschaft zurückgeben. Natürlich bin ich kultureller Teil der Nation Österreich (oder vielleicht eher Wiener) und werde es wahrscheinlich immer sein. Doch Teil des Staats zu sein erfüllt mich einmal mehr mit tiefer Scham und Ärger.
Und dann hat eine Innenministerin auch noch die Frechheit/Dummheit zu meinen, Arigona Zogaj solle doch heiraten, so könne sie problemlos wieder in Österreich leben.
Entweder Bosheit oder Dummheit, in jedem Fall Arschlöcher.
ALE
Anhang der ungefähren Amts-Kosten (gezahlt teilweise in argentinischen Pesos, hier in Euro übertragen) für die Dokumente von/für Carolina, die extra für den Antrag besorgt werden mussten (d.h. Kosten für Reisepass und andere Dokumente sind nicht enthalten):
Geburtsurkunde: Antrag 5,-; Apostilie Den Haag 8,-; Apostilie Botschaft 30,-; Übersetzung 70,- = INSGESAMT 113,-
Heiratsurkunde: Antrag 3,-; Apostilie Den Haag 8,-; Apostilie Botschaft 30,-; Übersetzung 70,- = INSGESAMT 111,-
Führungszeugnis: Antrag 10,-; Apostilie Den Haag 8,-; Apostilie Botschaft 30,-; Übersetzung 50,- = INSGESAMT 98,- (2 Mal)
Fotos und Kopien: 25,-
Antragsgebühr MA35 80,-
(Staatsbürgerschaftsnachweis Ale: 40,-)
(Auszug aus dem Kreditschutzverband Ale: 35,-)
INSGESAMT ergibt das Kosten über Euro 427,- für ihre Dokumente und (wenn man das zweite Führungszeugnis und meine Dokumente berücksichtigt) Euro 600,- reale Dokument-Kosten, dafür dass man sich anschnauzen lassen muss, betteln muss und der Antrag ohnehin wahrscheinlich abgelehnt wird, weil kein regelmäßiges Einkommen des Gatten vorhanden ist.
PS: Es geht bei der ganzen Sache weder um eine Staatsbürgerschaft, noch um ein permanentes Visum (bzw. Arbeitsgenehmigung). Es geht dabei um ein Visum, das auf EIN JAHR befristet ist und dann um noch ein Jahr erneuert werden kann. Nach dem zweiten Jahr wird es dann um (glaube ich) drei Jahre verlängert und danach bekommt man (sofern sich die Gesetze nicht weiter verschärfen, was sie momentan fast monatlich tun) eine permanente Aufenthaltserlaubnis. Voraussetzung ist natürlich, dass sich keine der Voraussetzungen der Ehepartner ändert und dass wir tatsächlich in Österreich leben.
*Name geändert
Carolina (Argentinierin) und ich (Österreicher) sind seit etwas mehr als einem Jahr verheiratet. Genauer gesagt, wir haben am 15.5.2009 in einem Standesamt in Buenos Aires (Argentinien) geheiratet, nachdem ich die vorangegangenen 4 Jahre bereits in besagter Stadt gelebt hatte. Seither leben wir gemeinsam und waren keinen einzigen Tag getrennt. Dafür gibt es Zeugen und Beweise. Schon vor der Hochzeit habe ich mich bei der österreichischen Botschaft in Buenos Aires erkundigt, welche die erforderlichen Schritte seien, damit meine Frau sich legal in Österreich aufhalten bzw. vielleicht sogar arbeiten kann. Erstens hatten wir nämlich zu jenem Zeitpunkt bereits zwei Tickets nach Wien, da ich jedes Jahr während der Sommermonate in Wien (oder zumindest in Europa) bin. Für meine Frau war es ihr erster Besuch in Österreich. Zweitens will ich gar kein Geheimnis daraus machen, dass die Annahme, dass verheiratet zu sein eine gewisse Erleichterung im Umgang mit der Bürokratie bedeuten würde, eines der vielen Argumente war, die uns tatsächlich zu einer offiziellen Eheschließung veranlasste. Zumindest dachten wir das, aber Österreich überrascht einen immer wieder. Warum wir in Argentinien geheiratet haben? Weil ich vom Hörensagen wusste/dachte, dass Visa für Verheiratete immer vom Heimatland des/der AusländerIn beantragt werden müssten. Jedenfalls wurde ich von den durchaus hilfreichen und freundlichen Mitarbeitern in der österreichischen Botschaft in Buenos Aires eines besseren belehrt, dass es nämlich bei einer Beantragung von Buenos Aires aus lediglich länger dauern würde, als wenn wir in Wien direkt zur MA35 gehen würden. Gut.
Carolinas Geburtsurkunde wurde von der argentinischen Behörde beglaubigt, das Führungszeugnis wurde von der argentinischen Behörde beglaubigt, die Heiratsurkunde wurde von der argentinischen Behörde beglaubigt. Dann wurde das alles von einem beglaubigten Übersetzer beglaubigt ins Deutsche übersetzt (ich will gar nicht erst beginnen, darüber zu schreiben, wie viel eine Übersetzung für derartige Standard-Dokumente kostet) und dann (samt Übersetzung) mit der Den Haager Apostilie versehen, die diese Dokumente auch in Österreich gültig machen. Insgesamt kostete uns diese Vorphase an die 300,- Euro.
Ich selbst war in Österreich Student gewesen, war meist geringfügig in der Gastronomie beschäftigt und bin 2004 nach Argentinien gereist, um dort für die Universität Wien meine Diplomarbeit zu schreiben. Ich schloss das Studium der Philosophie udn Politikwissenschaft Anfang 2008 auch tatsächlich erfolgreich ab. Seit 2006 war ich in Argentinien (abgesehen von Übersetzungstätigkeiten, die mir den Unterhalt sicherten) damit beschäftigt, das Gedenkprojekt “Verlorene Nachbarschaft Buenos Aires - Wien 2008” (www.verlorene-nachbarschaft.at) zu initiieren und zu organisieren, welches mit Unterstützung des Außenministeriums, des Bundeskanzleramts, des Wissenschaftsministeriums und einigen anderen (österreichischen und argentinischen) Institutionen auch überaus erfolgreich von 26.10. bis 9.11.2008 unter prominenter österreichischer und argentinischer Beteiligung stattfand (Teilnehmer waren unter vielen anderen z.B. der Präsident des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs Clemens Jabloner, der damaliger Kulturstaatsekretär Argentiniens José Nun und der Präsident des argentinischen jüdischen Dachverbandes DAIA Aldo Donzis. Den Ehrenschutz für das Projekt übernahmen die argentinische Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner und der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer. Abgesehen von den Dankesschreiben vieler Beteiligten gibt es bezüglich des Projektes einen persönlichen Brief der damaligen Botschafterin Österreichs Gudrun Graf an mich, in dem sie betont, wie professionell und erfolgreich dieses Projekt dank meines Einsatzes verwirklicht werden konnte. Doch das ist ein anderes Thema.).
Mit all dem war allerdings verbunden, dass ich keinerlei Einkommen in Österreich nachweisen konnte und somit auch seit meinem Studiumsabschluss keinerlei Sozialversicherung hatte. Dies wurde meiner Frau dann bei der MA35 in der Dresdner Straße in Wien zum Verhängnis, da uns von einer dortigen Juristin erklärt wurde, dass es sinnlos sei, eine Aufenthaltsbewilligung für Carolina zu beantragen, wenn ich kein Einkommen, keine Sozialversicherung und keine eigene Wohnung hätte (wir wohnten damals wie heute bei meinen Eltern im 8.Bezirk). Außerdem müssten wir uns während des Verfahrens in Österreich aufhalten, also hätten wir im Juni 2009 dann einen für Juli geplanten Urlaub absagen müssen.
Als ich dann Mitte August dennoch beantragen wollte war Carolinas Führungszeugnis bereits abgelaufen (3 Monate Gültigkeitsfrist) und somit waren sowohl Übersetzung als auch Apostilie verloren. Vielleicht meine Schuld, wenn ich die Schuld wirklich bei mir suchen will. Ich hätte ja anstatt auf Urlaub zu fahren auch eine Arbeit suchen können, damit ich, so wie es traditionell offenbar erwartet wird, meine nicht arbeitstätige Frau erhalte. Eine Alternative wäre gewesen, dass Carolina von einem Unternehmen einen das Unternehmen (auf ein Jahr, glaube ich mich zu erinnern) verpflichtenden Vorvertrag bekommt. Doch schon bei kurzem Nachdenken erkennt man, dass die Bezeichnung “Alternative” eine simple Chuzpe darstellt.
Dass ich selbst kein regelmäßiges Einkommen hatte sollte auch kein Problem darstellen, da ich einfach nur mit meinen Eltern, einen einklagbaren Unterhaltsvertrag abschließen müsste (Dieser müsste von einem Notar beglaubigt werden, etc... d.h. weitere erhebliche Kosten). Mein Vater hätte ein Nettoeinkommen von über Euro 3.000,- vorlegen müssen (ich kann mich an die exakte Zahl nicht erinnern).
Da ich zu jenem Zeitpunkt aber bereits wusste, dass wir uns ab Oktober für einen längeren Zeitraum in Argentinien aufhalten würden, da ich an einer Publikation über unser Projekt arbeitete (“Verlorene Nachbarschaft. Jüdische Emigration von der Donau an den Rio de la Plata”; Mandelbaum Verlag: Wien 2009), hätte a) die Zeit für eine Antragsbearbeitung nicht ausgereicht und b) akzeptierte ich das Bürokratie-Motto, dass nun einmal kein Aufenthaltstitel vergeben wird, wenn sich die jeweilige Person ohnehin nicht in Österreich aufhält.
Außerdem wurde mir bei der MA35 beteuert, dass ich das Visum doch von Argentinien aus beantragen solle, über die österreichische Botschaft. Also zurück zum Start.
In Buenos Aires angekommen war einer meiner ersten Wege also wieder zur österreichischen Botschaft, wo die Ratschläge der MA35 mit Kopfschütteln akzeptiert wurden. Jedoch gab es seit Neuem eine Regelung, wonach Anträge aus dem Ausland mit einer zusätzlichen Gebühr versehen werden und daher der Antrag erheblich teurer werden würde. Und da unser Rückflugticket nach Österreich erst für Mai 2010 datiert war, entschieden wir in Absprache mit der Botschaft, einmal abzuwarten und bei einem längeren Österreichaufenthalt einfach in Wien zu beantragen.
Kurz vor unserer Abreise im Mai 2010 nach Wien ließ sich Carolina erneut ein Führungszeugnis ausstellen, welcher wiederum beglaubigt und beglaubigt übersetzt wurde. Ich selbst fand in Wien ein weiteres Mal eine geringfügige Anstellung und konnte so bei der Wiener Gebietskrankenkassa meine Frau mitversichern. Bei der MA35 Fremdenpolizei wurden wir dann auf die für einen Antrag notwendigen Dokumente aufmerksam gemacht, sowie dass wir gar nicht in der Dresdner Straße, sondern bei der zuständigen Nebenstelle am Friedrich Schmidt Platz einreichen müssen.
Als die Versicherungsbestätigung und das Führungszeugnis fertig waren, gingen wir letztendlich am 22.6.2010, d.h. ca 6 Wochen nach unserer Ankunft mit den erforderlichen Dokumenten zu besagter Nebenstelle und begannen das Abenteuer der Beantragung.
Zur MA 35 ist zu sagen, dass es sich um einen unübersichtlichen Bereich in einem Amtsgebäude am Friedrich Schmidt-Platz handelt. Als Person mit deutscher Muttersprache kennt man sich (trotz akademischer Erfahrung mit Amtsgebäuden) dort nicht aus. Dankenswerterweise sah ein wartender türkischer Antragsteller, dass wir verloren herumirrten und erklärte mir die Logistik der Örtlichkeit. Nebenbei sei bemerkt, dass kein einziges Türschild, kein einziger Richtungspfeil (sofern vorhanden), noch sonst irgendein Hinweis auf einer anderen Sprache als auf deutsch vorhanden wäre. Österreichische Gastfreundlichkeit eben. Dass die verzweifelten Antragsteller sich dann mit Fragen auf jegliche Person stürzen, die aus einer sich öffnenden Tür kommt ist zwar verständlich, wird aber meist von den logischerweise entnervten Beamten mit Schroffheit und Präpotenz erwidert, wobei viele dem weit verbreiteten Irrtum unterliegen, dass man mit Menschen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, einfach überdeutlich im Infinitiv schreien muss, damit sie einen verstehen. Aber so ist das eben. Es zwingt sie ja keiner, nach Österreich zu kommen.
Jedenfalls muss man dort dann eine Nummer ziehen, mit der man sich danach, sobald man aufgerufen wird anmelden kann. Die Dame bei der Anmeldung nahm dies zur Kenntnis und schickte uns einfach wieder in den Wartebereich. Dass wir darauf warten sollten, wieder aufgerufen zu werden, konnte ich nur raten. Letztendlich wurden wir jedoch aufgerufen und kamen zu einer jüngeren Dame, die den Antrag letztlich aufnahm. Ich wurde zum Zahlen geschickt. Als ich mit Carolina in das Zimmer eintrat, wo man reuemütig - selbstverständlich kommt der Beamtenapparat in der MA35 gänzlich ohne die Worte “Bitte” oder “Danke” aus - weitere 80 Euro zahlen darf, wurden wir laut angeschnauzt, dass schon hundert Mal gesagt wurde, dass nur die Antragstellerin alleine eintreten darf. Gut, also musste Carolina alleine zahlen. Zurück bei der Bearbeiterin wurde uns mitgeteilt, dass wir am 3.8 um 8 Uhr wiederkommen müssen und dann einige fehlende Dokumente vorweisen müssen, darunter ein Staatsbürgerschaftsnachweis meiner Person (obwohl sie bereits Kopien meines Reisepasses hatten, Kostenpunkt Euro 40,-) und einen Auszug aus dem Kreditschutzverband (obwohl sie bereits mein Bankkonto kannten; Kostenpunkt Euro 30,-). Außerdem muss ich einen Mietvertrag, einen Einkommensbeleg und eine Versicherungsbestätigung von mir vorlegen. Da wir bei meinen Eltern wohnen und der Mietvertrag auf den Namen meines Vaters läuft, wurde dieser kopiert und eine Mietrechtsvereinbarung mit meinem Vater gefertigt. Da ich als geringfügig Beschäftigter einen Monatslohn von 60 Euro habe, brachte ich die Bestätigung eines Kontos, auf dem von mir ersparte Euro 12.000,- enthalten sind.
Am 3.August, d.h. fast drei Monate nach unserer Ankunft, in denen Carolina nicht arbeiten bzw. Geld verdienen durfte, kehrten wir also in die MA35 mit allen erforderlichen Dokumenten und guter Hoffnung zurück. Diese Hoffnungen stellten sich als Naivitäten heraus als wir Frau Mühlbauer* kennenlernten, die offenbar leider ohne die gesellschaftlich üblichen Höflichkeiten geboren wurde und den Charme eines alten Krokodils uns gegenüber ausstrahlte. Sie kontrollierte weitaus wortlos die Dokumente und machte uns darauf aufmerksam, dass Carolina jetzt bald wieder ausreisen müsse, da ihr Touristenvisum nach 3 Monaten ablaufe. Ich sagte ihr, dass mir erklärt wurde, dass die Bearbeitung eines Antrags für ein Visum für Familienangehörige bis zu drei Monaten dauern würde und dass ich eigentlich in nächster Zeit ein Ergebnis erhofft hätte. Darauf erwiderte sie, dass sie nichts dafür könne, wenn wir seit unserer Ankunft 6 Wochen “verschlafen” bis zum Antrag (ich erinnere daran, dass wir auf die Übersetzung und Beglaubigung des Führungszeugnisses, sowie auf die Versicherungsbestätigung warten hatten müssen) und dann nicht alle erforderlichen Dokumente bringen. Ich entgegnete, dass wir sehr wohl alle erforderlichen Dokumente hatten, doch Dinge wie beispielsweise mein Staatsbürgerschaftsnachweis und mein Versicherungsnachweis nicht auf der Liste der erforderlichen Dokumente enthalten waren. Darauf entgegnete sie mit bereits erwähntem Charme: “Wenn sie nicht zusammenarbeiten wollen, dann wird nichts draus.”
Trotz ansteigender Frustration und unglaublichem Ärger, der sich langsam menschlich in mir aufstaute, blieb ich höflich und machte sie darauf aufmerksam, dass es ein bilaterales Abkommen zwischen Argentinien und Österreich gäbe, wonach die Angehörigen besagter Staaten 6 Monate im anderen Land bleiben dürfen. Das glaube sie nicht, sagte sie und wies mich darauf hin, dass Carolina Probleme mit der Fremdenpolizei bekommen könne. Ich entgegnete überrascht, dass wir doch gerade bei der Fremdenpolizei seien, worauf Frau Mühlbauer* kurz stotterte und letztlich meinte, dass sie “nur ausführende Organe seien”. Um einen Konflikt zu vermeiden fragte ich nicht weiter nach.
An einer Schilderung unserer Geschichte (nach Jahren der kulturellen Arbeit planen wir einen Neuanfang in Österreich, da das Projekt Verlorene Nachbarschaft nun zu Ende geht) war sie gänzlich uninteressiert und bezweifelte zurecht, dass man von 60 Euro im Monat (meine geringfügige Beschäftigung) leben könne. Darauf entgegnete ich, dass sich im September arbeitsmäßig bei mir einige Dinge entscheiden würden und dass es umso wichtiger wäre, dass Carolina endlich arbeiten könne. Nein, ich müsse sie erhalten, meinte Frau Mühlbauer*. Und auf den Hinweis, dass dies nicht einfach sei, wenn ein Teil der Ehepartner nicht arbeiten darf lächelte sie zynisch und sagte: “Bei der Heirat haben sie einander doch geschworen: in guten wie in schlechten Zeiten... na also!”
Solange man auf die Bürokratie angewiesen ist sind das wahrhaft “schlechte Zeiten”, doch das habe ich Frau Mühlbauer* nicht gesagt.
Insgesamt meinte sie dann, dass der Antrag nicht besonders gut aussieht, da die vorgewiesenen 12.000,- Euro zu wenig seien und ich entweder ein Nettogehalt von 1.200,- Euro so schnell wie möglich vorweisen solle, oder dass sich Caro einen Vorvertrag mit einem Arbeitgeber besorgen solle (über eine ähnliche Höhe). Sie fragte Caro, was sie denn gerne in Österreich arbeiten würde, worauf diese “Yogalehrerin” antwortete. Mit einem herablassenden Lächeln wurde dies dann von Frau Mühlbauer* im Antrag vermerkt. Ich entgegnete noch, dass 12.000,- Euro demnach ja 10 Monate gesicherter Unterhalt seien, doch die Dame meinte: “Ja und wie stellen sie sich dann die Zukunft vor? Für die Zukunft ist das zu wenig.” Ich meinte: “In Zukunft hoffe ich, dass Carolina auch arbeiten darf”. “Das wird sich zeigen”, meinte Frau Mühlbauer*.
“Wie geht’s denn jetzt weiter?” fragte ich sie. Wir sollen einmal ausreisen. Der Bescheid wird dann auf unsere Wohnadresse zugestellt, nachdem er von einer Juristin bearbeitet wurde. Sollte dieser negativ sein, bekommen wir in ohnehin in drei Wochen, meinte Frau Mühlbauer*.
Bleibt nur zu hoffen, dass die Dame in der juristischen Abteilung mehr Feingefühl hat als die Leiterin der Einwanderungsabteilung am Friedrich Schmidt Platz.
Carolina hat mir am Heimweg gesagt, “Reisen wir doch einfach nach Bratislava aus.” Seit ich meinen Eltern die Geschichte vor 2 Stunden erzählt habe, machen die sich Gedanken darüber, wie wir/ich die 1.200,- Euro netto monatlich auftreiben könne. Ich selbst bin einfach nur fassungslos darüber, mit welcher Präpotenz einem die Bürokratie des siebt-reichsten Landes der Welt begegnet, nachdem man hunderte Euro in Dokumente und Stempel und unzählbare Stunden in Wartezonen investiert hat. Ich begegne anderen Menschen immer mit Höflichkeit und in den meisten Fällen sogar mir Freundlichkeit, da ich z.B. Verständnis für Menschen aufbringe, die im beruflichen Leben täglich mit schwierigen Fällen von Einwanderern zu tun haben. Doch bei Carolina und mir handelt es sich keineswegs um einen schwierigen Fall. Ich bin ein klassisch links-bürgerlicher Josefstädter Akademiker, der nun mit seiner Frau, mit der er seit über einem Jahr verheiratet zusammenlebt nach Wien, seine Geburtsstadt, ziehen will um vielleicht eine Familie und ein Unternehmen zu gründen. Doch dass man fast 6 Jahre im Ausland zugebracht hat wird nicht gutgeheissen, sondern indirekt sogar bestraft, da ich über kein regelmäßiges Einkommen in Österreich verfüge. Eigentlich werde nicht ich, sondern meine Frau dafür bestraft, dass ich in Argentinien war. Wie wollen sie einfach nicht hier. Wir brauchen sie nicht. Wir sind lieber wir, denn Ausländer sind meist ohnehin sehr nahe an der Kriminalität. Und trotzdem hört man an allen Ecken und Enden in der Bevölkerung, dass bei uns die Türen und Tore für Ausländer zu weit offen stehen, dass “die Linken” die alle ins Land holen wollen.
Und ich frage mich: Wenn ein Mensch nach Österreich kommt (aus welchem Grund auch immer) und noch dazu das nicht unwahrscheinliche Pech hat dem gehaltsmäßigen Durchschnitt eines Landes anzugehören, das nicht eines der 6 Länder ist, die in der Rangliste vor Österreich stehen, was soll er dann diese Monate lang machen, die er tatenlos auf seinen Bescheid warten muss? Er muss im Land sein, doch er darf nicht arbeiten. Er muss einen Vorvertrag auftreiben, in dem die Firma ein Gehalt garantiert, ohne Erfahrung mit besagter Person zu haben. Familie in Österreich zu haben, reicht allein nicht mehr aus. 12.000 Euro am Konto reichen auch nicht aus. Und dann wundert man sich, dass Menschen in die Kriminalität (und sei es “nur” Schwarzarbeit) abdriften, wenn das wahre Verbrechen das ist, einem Menschen das Recht auf Arbeit zu verweigern. Und dann wundert man sich weiters, wie Ausländer-Kriminalitäts-Statistiken zustande kommen? Und dann wundern sich andere wiederum, wieso Hetzer wie HC Strache und Kollegen derartigen Erfolg haben?
Am liebsten würde ich meine Staatsbürgerschaft zurückgeben. Natürlich bin ich kultureller Teil der Nation Österreich (oder vielleicht eher Wiener) und werde es wahrscheinlich immer sein. Doch Teil des Staats zu sein erfüllt mich einmal mehr mit tiefer Scham und Ärger.
Und dann hat eine Innenministerin auch noch die Frechheit/Dummheit zu meinen, Arigona Zogaj solle doch heiraten, so könne sie problemlos wieder in Österreich leben.
Entweder Bosheit oder Dummheit, in jedem Fall Arschlöcher.
ALE
Anhang der ungefähren Amts-Kosten (gezahlt teilweise in argentinischen Pesos, hier in Euro übertragen) für die Dokumente von/für Carolina, die extra für den Antrag besorgt werden mussten (d.h. Kosten für Reisepass und andere Dokumente sind nicht enthalten):
Geburtsurkunde: Antrag 5,-; Apostilie Den Haag 8,-; Apostilie Botschaft 30,-; Übersetzung 70,- = INSGESAMT 113,-
Heiratsurkunde: Antrag 3,-; Apostilie Den Haag 8,-; Apostilie Botschaft 30,-; Übersetzung 70,- = INSGESAMT 111,-
Führungszeugnis: Antrag 10,-; Apostilie Den Haag 8,-; Apostilie Botschaft 30,-; Übersetzung 50,- = INSGESAMT 98,- (2 Mal)
Fotos und Kopien: 25,-
Antragsgebühr MA35 80,-
(Staatsbürgerschaftsnachweis Ale: 40,-)
(Auszug aus dem Kreditschutzverband Ale: 35,-)
INSGESAMT ergibt das Kosten über Euro 427,- für ihre Dokumente und (wenn man das zweite Führungszeugnis und meine Dokumente berücksichtigt) Euro 600,- reale Dokument-Kosten, dafür dass man sich anschnauzen lassen muss, betteln muss und der Antrag ohnehin wahrscheinlich abgelehnt wird, weil kein regelmäßiges Einkommen des Gatten vorhanden ist.
PS: Es geht bei der ganzen Sache weder um eine Staatsbürgerschaft, noch um ein permanentes Visum (bzw. Arbeitsgenehmigung). Es geht dabei um ein Visum, das auf EIN JAHR befristet ist und dann um noch ein Jahr erneuert werden kann. Nach dem zweiten Jahr wird es dann um (glaube ich) drei Jahre verlängert und danach bekommt man (sofern sich die Gesetze nicht weiter verschärfen, was sie momentan fast monatlich tun) eine permanente Aufenthaltserlaubnis. Voraussetzung ist natürlich, dass sich keine der Voraussetzungen der Ehepartner ändert und dass wir tatsächlich in Österreich leben.
*Name geändert
AlVince - 3. Aug, 13:34