Dienstag, 2. September 2008

Vielleicht

Vielleicht ist Erwachsenwerden nur, dass man mit den Dingen, die man als Kind empörend, also naiv, empfunden hat, besser umgehen kann. Dass man Situationen einfach angemessener betrachten kann, dass man besser versteht in welchem Kontext welche Dinge entstehen und wer das wann und warum sagt und man sich auch deswegen besser auf Dinge einstellen kann. Dass man einfach einsieht, dass man persönliche Empfindungen nicht auf die Gache ganz so ganz nehmen darf, dass man erst bis 10 zählen soll.
Dass man nicht so reagieren sollte, wie man sonst reagieren würde, wenn man so reagierte, wie man es in diesem Moment fühlt. Dass man lernt erst gar nicht so zu fühlen, da es von Anfang an unangemessen und jenseits von zweckmäßig oder zielführend ist. Dass es kein Argument dagegen gibt, dass alles andere zwangsläufig zu Krieg führt.
Vielleicht ist Toleranz die weiseste aller erwachsenen Eigenschaften und Gleichgültigkeit die dümmste.

Es gibt so viele Dinge, die nie im Leben dokumentiert werden, die nie im Leben von Erwachsenen an Kinder weitergegeben werden.
Allein die Enttäuschung, die man irgendwann besser oder schlechter verdauen muss, dass die Prinzessin am Ende nicht den schönen Prinzen heiratet, dass nicht alle von uns Prinzessinnen oder Prinzen sind, dass nicht alle schön sind, dass selbst wenn alle schön wären, dass noch immer nicht heißt, dass das gut enden würde und dass "und so leben sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage" das größte Rätsel und der größte gesellschaftliche Imperativ ist, den man Kindern auf den Weg mitgibt.
Wenn etwas gezeigt wird, dann passiert das mit Stärke, dann bekommt man Respekt, schon allein deswegen, weil es gezeigt wird, im Film, oder im Theater, zum Beispiel. Aber dass es dabei um die schwächsten Momente geht, geht dabei vollkommen verloren.
Man hat uns nie gelernt, mit Träumen umzugehen, man hat uns nie gelernt, Liebe hand zu haben. Und auch wenn wir es uns so oft ersehen würden, nur um weiter zu funktionieren, bekommen wir es dennoch nicht und sind insgeheim vom Mysterium mit einem Lächeln gelähmt, das uns zeigt, dass es noch Dinge zu entdecken gibt, dass es noch zu fühlen gibt im Leben. Tausende Jahre an Poesie haben sich dem Thema gewidmet und haben es versucht zu erklären und bestenfalls dokumentiert. Einige Jahrzehnte an Wissenschaft haben uns ökonomischere und moderne Erklärungen gebracht, die letztendlich nützlich und so unbefriedigend und unvollständig sind wie Cybersex oder alkoholfreies Bier.
Vielleicht ist Erwachsenwerden einfach nur, weniger größenwahnsinnig zu sein, sich ein bisschen mehr in die Hosen zu scheissen und dabei eine große Figur zu machen, so gut , dass man selbst zu 99% davon überzeugt ist. Sich die Tage mit Aktivitäten anzufüllen, die auch Antworten bringen, da es keine Wahrheiten gibt.
Gute Dinge zu tun ist da dann schon so weit, dass man sogar ein oder mehrere Schulterklopfer bekommt, wegen denen man es zwar keinesfalls macht, die sich aber trotzdem gut anfühlen.
Jenseits von Egoismus und Eitelkeit.
Das, was man fühlt nicht definieren zu können. Das, was man fühlt, definieren zu wollen. Motor der Wissenschaft.
Morgen ist ein neuer Tag, ich geh schlafen, in 4 Stunden ist Tagwache.
Leicht, jung, ein bissi frischer.

Montag, 25. August 2008

Maure/ Buenos Aires

Manchmal wird’s schon einfach viel. Manchmal hab ich das Gefühl, dass das alles viel größer ist als ich. Und ich weiss, dass das alles viel größer als ich bin ist. Ich erschrecke nur einfach vor der Dimension und vor der Vielfalt. Du willst Reizüberflutung auf allen Niveaus? Organisier Vecinos Perdidos Buenos Aires – Viena 2008.
Alles ist dabei. Ernsthaftigkeit, Idealismus, Engagement, Abenteuer, Reiz, Eifersucht, Gruppendynamik, Streit, Tränen, Freude, Neugier, Überraschungen, Moral, Zweifel, Kontroversen, Minderheiten, Macht, Geschichte, Ästhetik, Organisation, Technik, Therapie, Faszination, Familienbeziehungen, Träume, Schlaflosigkeit, Arroganz, Übermut, Ärger, Traurigkeit, Freundschaften, Professionelles, Privates, Taxis, Städte, Presse, Kino, Schulen, Universitäten, Archive, Druckereien, Verläge, Holocaust, Gedenken, Übersetzer, Ministerien, eine Autofirma, Politik, Rassismus, Militärdiktatur, narrative Interviews, Professoren, Psychologen, Anträge, Sekretärinnen, Ämter, Polizei, Fernsehsender, Filmemacher, Regisseure, Emails, Internet, Designer, Webmaster, Bibliotheken, Musikexperten Chöre, linke und rechte Vereine, Synagogen, Präsidenten, Plakate, Folder und Logos und Schlichtmails kommen zugleich vor.
Einfach zu groß. All das hinter einer 40 Meter hohen Leinwand mit dem Bild der Fassade jener Synagoge, die an diesem Novemberabend 1938 abgefackelt worden ist. In Zelten mit Klimanlage, einer Hundertwasserausstellung und einem Telecafe, das zwei 12000 km entfernte Städte verbindet. Voll mit Bildern und wieder gefundenen Nachbarn.
Großartig, größenwahnsinnig, wirklich großen Respekt vor allen, die da mitwirken und sich auf den Beinen halten. Und ich glaub ich seh die Wichtigkeit dessen jedes Mal in den Augen derer, denen dieses Projekt gewidmet ist, wenn ich davon erzähle.
Es ist viel zu viel. Aber es ist machbar und wenn es gelingt, dann haben viele Menschen eine unglaubliche Freude, und das wahrscheinlich für lange Zeit. Und auch wenn das sehr sozialkitschromantisch klingt, wenn man sich ehrlich ist, ist das nun einmal das sinnvolle Wesen eines „Brückenschlags“ zwischen Buenos Aires und Wien um der Pogromnacht zu gedenken und das halte ich für gut.
Vor mir der 8-Seitige Vorschlag für einen Interviewleitfaden von Markus Leiter, am Bildschirm vor mir ein Mail, das ich seit 2 Tagen schreibe, als Stellungnahme zum Schönfeld-Projektgruppen Konflikt, im Kopf der Zeitplan für den morgigen Montag, der sehr dicht wird, auf der Liste die Dinge die ich Any morgen sagen muss, die ich dem Designer beauftragen soll, an die ich Julio erinnern muss, dass ich auch privat z.B. Stefan endlich schreibe oder Kari zum Geburtstag gratulieren sollte oder Roberto auch endlich antworten könnte, dass Volkswagen endlich zahlen sollte, dass ich mit Alejandra die Übersetzung des Buches durchgehen sollte, dass das Filmteam endlich Aufträge braucht, dass ich Lisa Seiden bei ihrem Buch helfen sollte, dass ich ein Auto bräuchte, dass das Filmfestival losgehen sollte, ob der Verein endlich gegründet ist, wies eigentlich Birgit und Hiasi so geht, ob Leo bei den Schulkontakten eh ordentlich anzieht, dass Ruben mir noch 100 Folder und die Rechnung schuldet, dass die Fotos bearbeitet und gedruckt gehören, dass die Filmrechte noch immer fehlen, dass das Goetheinstitut endlich KZ auftreiben soll, dass ich Kopien von „Ein ganz gewöhnlicher Jude“ machen sollte, dass die Merchendising-Tante noch immer auf Antwort wartet, dass die Homepage aktualisiert gehört, ob ein Mediator oder Coach wirklich was sinnvolles für ein Projektteam ist, dass man beim Einbinden des Holocaustmuseums von Buenos Aires vorsichtig sein muss, ob eigentlich die beiden Anträge in Kongress und Gemeinderat schon durch sind, dass ich bei Alfredo zum Mittagessen eingeladen bin, dass Julio um 19 Uhr in der Bar Seis auf mich wartet und dass ich meine Wäsche in die Putzerei bringen sollte. Unter mir Mostachita, die gerade ihre Krallen in meinen Oberschenkel bohrt um mir anschließend auf den Schoß zu springen, hinter mir mein Bett, angeräumt mit Zetteln und Wäsche und um mich Musik aus dem Ipod. Frühling wird’s, das Fenster ist offen und ch sitze mit kurzer Hose und Wollpullover vor dem Computer und mir ist nicht sehr kalt.
Wenn morgen die Sonne schein geht alles leichter. Frustrierend ist, wenn man in diesen ganzen Tagesplänen 16 Mal bei verschiedenen Menschen bei VW anrufen muss und niemand abhebt oder niemand zurückruft; wenn man am zweiten Tag wieder 10 Mal probiert und dann durch Zufall jemanden an den Apparat bekommt, der dich fragt, wies Dir geht........ Was soll ich dem antworten...? Wenn er Dir dann lachend sagt, dass das dir für vergangenen Donnerstag versprochene Auto „eh schon“ nächsten Montag fertig ist und dass ich es mir dann einfach holen soll. Wenn ich dann genau weiß, dass er mir am Montag, falls er abhebt und es zu einem Termin kommt, das Auto für eine Woche gibt, weil er es nachher „eh nur“ 2 Tage braucht, aber ich es dann „eh gleich“ wieder zurückkrieg, und ich dafür „eh nur“ mim Taxi hin und zruck nach Pacheco fahren muss/soll.... das kann sehr frustrierend sein.
Und vom Fundraising red ich erst gar nicht.
Und Gitarrespielen wollt ich auch noch.
Und mein Nerv in der linken Hand ist immer noch gatsch.
Und Mostachita beschwert sich.
Und schlafengehen sollt ich auch bald.
Und das Maria Bill-Plakat ist auch noch nicht gmacht.
Und tief schlafen soll ich dabei auch noch.
Und rauchen wollt ich auch noch was.
Und Bier?
Ich weiss nicht, ob ich das alles heut noch mach....

Leicht, Jung, aber nicht ganz frisch.

Sonntag, 11. Mai 2008

Von der Babs:

Bringst Du mir einen Topfmstrudl,
Tu ich Dich heut noch stopfm, Trudl!

Ich find den wirklich sehr gut, wenn auch politisch nicht ganz korrekt.

Freitag, 25. April 2008

Aus aktuellem Anlass:

Der Punkt ist, es ist immer extrem schad, wenn eine Käsekreiner aus is. Das merkt man, wenn man das Endstückl in das a-bissi-zu-viel an Senf und Kren eintaucht und in den Mund steckt.

Ich würd mir sofort noch eine mit jemandem teilen... aber allein noch eine ganze? Nein, das wäre schlimme Dekadenz...

Naja...

Zumindest bleibt mir das Aufstoßen in ab ca. einer Stunde....

Sonntag, 20. April 2008

JAWOOOOOHHHHLLL!!!!!!

32. Titel der Vereinsgeschichte

RAPID!!

Abgesehen davon, ein wirklich grossartiger Sturm in den letzten Spielen. Hofmann sowieso ein Phänomen, aber Ümit, Boscovic, Hoffer und Maierhofer waren einfach grossartig, und well... Der Bazina hat auch ab und zu getroffen...

Samstag, 12. April 2008

Heute ist es soweit...

Heute ziehe ich mir Socken an. Heute habe ich die Decke ausgepackt, die mir Silvana freundlicherweise borgt.

Gestern habe ich noch geschwitzt. Heute habe ich zu Mittag noch geschwitzt und dann is es auf einmal zugezogen, ein kurzer Regenschauer und ein Temperatursturz um 10 Grad. Beeindruckend.

Jez wirds Herbst hier.

...

Aber was noch viel wichtiger ist: Rapid hat Kärnten niedergekämpft! 2-1

RAPID!

PS: Ich schäme mich, dass ich anlässlich des 0-7 gegen Red Bull (seither alias 7Up) in Salzburg am Ostersonntag keinen Beitrag verfasst habe. ;-)

Heute ist es soweit...

Heute ziehe ich mir Socken an. Heute habe ich die Decke ausgepackt, die mir Silvana freundlicherweise borgt.

Gestern habe ich noch geschwitzt. Heute habe ich zu Mittag noch geschwitzt und dann is es auf einmal zugezogen, ein kurzer Regenschauer und ein Temperatursturz um 10 Grad. Beeindruckend.

Jez wirds Herbst hier.

...

Aber was noch viel wichtiger ist: Rapid hat Kärnten niedergekämpft! 2-1

RAPID!

PS: Ich schäme mich, dass ich anlässlich des 0-7 gegen Red Bull (seither alias 7Up) in Salzburg am Ostersonntag keinen Beitrag verfasst habe. ;-)

Samstag, 5. April 2008

Eine Woche in der Retrospektive

Gerade bin ich nach hause gekommen, von einem sehr anstrengenden Tag. Und das Abschalten fällt so schwer... Es ist alles so spannend, so groß, so... oag halt...

Ich komme gerade von einem Treffen, das für mich wahrscheinlich historisch war, obwohl sowas natürlich sehr schwer zu sagen ist, so gleich nachher...

Ich durfte gerade dabei sein, als sich alle "verlorenen Nachbarn" getroffen haben, um sich mental auf ihre Reise nach Wien am 30.April vorzubereiten. Und zu aller erst muss ich bemerken, dass solche Treffen mehr als Gold wert sind, da sie in dem ganzen bürokratischen Wahnsinn des Alltags einen auf den eigentlichen Kern des Projekts zurückweisen oder hinweisen, nämlich die menschliche Komponente, die Menschen, denen das Projekt gewidmet ist.

12 Austro-Argentinier, die in einem Monat mit Schulklassen konfrontiert sein werden, um Teile ihrer Lebensgeschichte zu erzählen und wie sie sich darauf vorbereiten, welche Bedenken sie haben, welche Erwartungen und ganz im Vordergrund, welche Ängste dabei mitspielen.

Ernesto Allerhand, der selbsternannte Clark Gable von Buenos Aires, der bis 1998 nie über seine Geschichte gesprochen hat und der durch eine Einladung nach Wien neue Lebensfreude entdeckt hat, die ihn durch und durch erfüllt, der heute früher weg musste, weil er morgen in der Früh Tennis spielen muss hat oft die Wortführung übernommen und die Bedenken kalmiert. Er ist österreichischer als die meisten Österreicher, die ich getroffen habe. Daneben Alfredo Bauer, der "alte" Kommunist, der von Stefan Zweig, von rassischer Verfolgung und der Banalität des Bösen sprach; Patricia Fränkel und Alfredo Schwarcz, die "Veranstalter" des Abends, die die Runde wie eine Gesprächstherapie führten... einfach unglaublich, und unglaublich gut.

Es war deswegen unglaublich gut, weil die Mehrzahl der Menschen, die dort waren, die alle Namen und Gesicht haben, bedenken gegenüber dieser Reise haben, Bedenken, gegenüber einer Schulklasse ihre "Story" zu erzählen. Sie haben keine Ahnung, ob sie dort mit Antisemitismus konfrontiert sein werden, oder mit Entschuldigungen, oder mit Kritik a la "ihr habt ja keine Bomben abbekommen" oder "Was beschwert ihr Euch, ihr habt ja eh überlebt" oder was auch immer. Die Unsicherheit überwiegt, nicht nur was die Fragen betrifft, sondern auch was die "onda" von Österreich betrifft. Eine einmalige (in jeglichem Sinn des Wortes" Stimmung).

Irgendwann kam Thomas Schuller-Götzburg, als Privatperson, aber v.a. als Vertreter der österreichischen Botschaft, auch das ist höchst interessant.

Und mitten drin ich.... Und ich erzähle diese Geschichte ab nun nur und ausschliesslich aus meiner Warte, so wie ich hier sitze, mit Mostachita am Schoß und Musik im Zimmer, nach unendlichen Sitzungen mit Buchhaltern, Kulturdelegierten, Selbstdarstellern, Vertragsverhandlungen mit Produktionsfirmen und anderen, die einem Kafkaroman gleichen.

Ich läutete an der Türe und Alfredo machte mir auf und auf einmal stand ich mitten in einer Runde und werde von allen angesehen... Alfredo hat mich dann gleich vorgestellt und nach ein paar kleinen Fragen über Spanischkenntnisse und sonstige Dinge hab ich Platz genommen...

Wie es die Höflichkeit gebietet hab ich mich hingesetzt und habe zugehört, schließlich ging es nicht um die Verlorene Nachbarschaft, sondern im weitesten Sinn um "Letter to the Stars", ein geschätztes, aber viel kritisiertes Projekt, und im engsten Sinn um Menschen, die eine Wien-Arbeits-Reise vor sich haben. Es waren nicht nur die direkt Betroffenen anwesend, sondern auch ihre Betreuer, ihre Begleiter, d.h. in vielen Fällen die Enkel.

Die Hauptbedenken waren, ob das die Kinder von dort (Österreich) überhaupt alles interessiert, und sie nicht gelangweilt werden, mit diesen "alten" Geschichten, und ob sich das überhaupt auszahlt, sich derartigen Horror-Geschichten wieder auszusetzen. Oder wie man sich vorbereiten solle, da ja die meisten meinen, die geschichtliche Bildung nicht zuhaben, um vor einer Schulklasse einen Vortrag über den Anitsemitismus zu halten... Und ob da nicht nur die Professoren dahinterstünden... dass dieses Interesse quasi "erzwungen" ist... Alles (meiner Meinung nach) recht g'scheite Bedenken...
Und neben Alfredo Bauers Einwänden, die v.a. die geschichtliche Aufklärung betrafen, dass natürlich nicht alle Österreicher Antisemiten sind, dass dort viel Bewusstsein entstanden ist ... hat dann Ernesto das Wort ergriffen und hat gemeint, dass sie wie ein Ausstellungsstück aus einem Museum sind, wie eine lebendige Reliquie aus einer vergangenen Zeit, wie ein lebendiger Beweis für all das, was man sonst in Büchern liest. Er hat gemeint, dass "die in Wien dankbar sind für jedes Wort, das von uns kommt", dass "die Leute, mit denen man redet einem mit größter Bewunderung begegnen".

Und genau da hab ich mir gedacht, dass ich mich einmische und mit glasigen Augen hab ich von meinen Erfahrungen vom 98er Projekt erzählt und habe erzählt, wie das damals für mich war, als Ernesto das Zelt betrat, dass er für mich tatsächlich, als 18jährigen, ein zutiefst bewegendes lebendiges Symbol der Vergangenheit Österreichs war. Dass ich dieses Projekt damals genauso erlebt habe, dass all diese Leute, die ich vorher stundenlang auf Videos gesehen habe auf einmal wie Stars vor mir standen, nur dass sie eben keine Schauspieler waren, sonder unbegreifbar real. Und ich habe ihnen gesagt, dass genau das die Aufgabe, die Chance ist, falls sie irgendeine Botschaft geben wollen.
Das Gespräch ging weiter und in der Folge hab ich mich oft zu Wort gemeldet und auch wen das jetzt unglaublich narzistisch ist, aber ich habe das Gefühl, heute, nur heute, einige Menschen nicht nur beruhigt zu haben, sondern einen Teil dazu beigetragen habe, ihnen die Angst vor dieser Reise zu nehmen. Und wenn unser Projekt IRGENDEINEN SINN HAT, dann ist es einer dieser Art, glaube ich.
Ich habe über österreichische Geschichte gesprochen, über Waldheim, über Mock und Vranizky, über die Historikerkommission, über Bewusstsein und Verdrängung und über den Zugang von Kindern. Ich habe darüber gesprochen, dass es genau die banalsten Geschichten sind, die diese Kinder/Jugendlichen am meisten bewegen und beeindrucken, die Geschichten über den Deutsch-Professor, über das Fußballstadion, über die Trafik, über den Fleischhauer oder den Hausmeister; über all das, dass wir voll mit Statistiken sind und über Holocaustinfos und Geschichtsversionen, und dass sie diese Aufgaben gar nicht interessieren brauchen, sondern dass es darum geht, wie Menschen mit Namen und Gesicht eine Zeit miterlebt haben, wo sich Diskriminierung in ihrer extremsten Form in den Alltag eingeschlichen hat.
Die Menschen (v.a. die Enkel) wissen ja gar nichts über Wien, oder halt so viel wie Wiener über Buenos Aires wissen oder im besten Fall aus den Zeitungen erfahren (und anhand der Argentinien-Infos der letzten Tage und Wochen sieht man wie verzerrend das sein kann und meistens auch ist).
Ich hab über Wehrmacht und die "Täter"-Generation gesprochen, über die Unterschiede im Bewusstsein zwischen der Generation, die im Krieg war und dafür teilweise (problematischerweise, aber verständlicherweise) um Anerkennung kämpft, so wie es überall passiert. Ich hab über die "Jetzt muss einmal Schluss sein"-Generation gesprochen und über die "Schindlers-Liste"-Generation.
Thomas hat 84 maturiert (Salzburg) und hat während seiner Schulzeit nie was über den 2.WK erfahren. Für mich, nur eine Generation später (in Wien) ist das undenkbar... nicht nur, weil ich halt eine sehr "bewusste" Geschichtsprofessorin hatte, sondern weil das Fernsehen, die Museen, die Zeitungen voll mit dem Thema sind, auch wenn manchmal verharmlosend und problematisch,aber der Diskurs ist nicht mehr wegzudenken. Waldheim, Vranizky und Schüssel (Historikerkommission) haben da sehr viel beigetragen, ob sie es nun wollten oder nicht.

Es geht nicht nur darum, die Opfer zu vermenschlichen, das ist UNSER Triebgrund, da wir verlorenen Nachbarn suchen und Kontakt aufnehmen, sondern auch für sie, die Täter sorgfältig zu präsentieren und zu vermenschlichen, keinesfalls um sie zu entschuldigen, ganz im Gegenteil, um sie greifbar zu machen, denn wir dürfen nicht vergessen, dass die meisten dieser Opfer damals Kinder waren, ohne politisches (differenziertes) Bewusstsein und kaum Kontakt nach Österreich besteht (außer vielllleicht zu Institutionen, d.h. "justistischen Personen", aber kaum zu Menschen). So pass auch ich auf, dass ich der Ale bin und nicht der Director von Vecinos Perdidos in BsAs. Ganz vorsichtig hab ich am Ende ein paar Broschüren von 98 und ein paar Mappen verteilt, aber nur wenn nachgefragt wurde.
Thomas war dort als "juristische Person", was auch überaus wichtig ist, da er dann für sowas wie Staatsbürgerschaft für den Enkel usw. zuständig ist... Aber ich war dort als ich (natürlich auch zutiefst als Subjekt meiner Generation, meines Herkunftslandes, meiner sozialen Bildungsschicht, etc.) und nur dadurch (nicht weil ich so leiwand bin oder sowas) aber nur dadurch hab ich heut irgendwie das Gfühl, dass das "einen Sinn ghabt hat".
In der Auto-Psychologie steht man sich im Leben so oft selbst im Weg, so oft muss man mit eigenen Ängsten und Limits und Grenzen und Möglichkeiten und Schicksalen fertig werden, das verarbeiten, akzeptieren, was auch immer. Aber manchmal passiert es eben, dass nur dadurch was man ist, man einem anderen viel geben kann, wenn man aufpasst und zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Und das macht einen auf zutiefst naive Weise unglaublich stolz, weil man Glück gehabt hat; das Glück, durch sein eigenes Sein, Menschen ein bisschen weitergeholfen zu haben, ohne dabei wirklich in nennenswertem Sinn, eine Leistung erbracht zu haben.

So, und nun ist die Geschichte aus der Ego-Position auch schon vorbei. Oder, nein, noch nicht ganz... denn das, was ich eigentlich mit dieser ganzen Darstellung sagen wollte ist, dass ich dieses Treffen EIGENTLICH (und dieses eigentlich steht dafür, dass es sich ganz alltäglich angefühlt hat, aber eigentlich historisch für mich war, wenn ich es "bedenke") ganz unglaublich war, diese Menschen, mit dieser (von Person zu Person ganz verschiedenen) Geschichte, in einem Haushalt in Buenos Aires erlebt zu haben, wie sie sich persönlich unter Betreuung von Alfredo und Patricia in Anwesenheit von Enkeln oder Kindern, des Kulturdelegierten von Österreich in Buenos Aires und meiner Wenigkeit auf ihre Reise nach Wien (und in die Vergangenheit oder Gegenwart, wie auch immer er der/diejenige sehen will) vorbereiten. Ganz ganz unglaublich. Und bei aller Ernsthaftigkeit und intellektuellen Abgeklärtheit erlaube ich mir, einfach begeistert zu sein, als würde ich vor historischen Monumenten und hautnahen Menschen gleichzeitig stehen, denn das purste Geschichtsbewusstsein ist das Wissen darüber, dass ich das nicht erlebt habe und jegliches Vorgeben, mich in die Lage versetzen zu können schon einen kleinen bis sehr großen Schwindel birgt.

Was kann ich aus den Jahren von 1938 bis 1945 lernen? Von meinem gegenwärtigen, heutigen Standpunkt folgendes:
1) Dass das was passiert ist nicht eine Ausnahme, ein Extrem, ein Außerhalb des demokratischen Nationalstaatsystems ist, sonder eine mögliche Konsequenz.
2) Dass das, was passiert ist, so nie wieder passieren wird, weil nie zweimal die gleichen Dinge passieren, aber das anzunehmen, dass das wieder passieren kann die eigentliche Verharmlosung ist, weil man, wenn man gut argumentiert, jeglichen Genozid in der Vergangenheit oder Zukunft dagegen abgrenzen kann und es in der Hand von Historikern, Journalisten und Experten bleibt, Parallelen zu ziehen, die man dann annehmen kann oder ablehnen.
3) Dass es sich um Menschen handelt, die gekackt und gerülpst haben und die teilweise noch kacken und rülpsen.
4) Dass die Geschichtsschreibung die menschliche individuelle Psyche immens prägt und verändert (sofern man davon ausgeht, dass es ein "davor" gibt)
5) Dass Entschuldigung unmöglich ist, da es keine Entschuldigung gibt, weil sowas wie Erbschuld nicht existiert und das eine Krux im Verhältnis zwischen Moral und juristischer Rechtssprechung ist, weil es nichteinmal für das geraubte Vermögen eine Lösung gibt, ganz zu schweigen von geraubten Familienmitgliedern und/oder geraubtem Leben.
6) Dass es sich durch das Fehlen der Erbschuld auch um kein geraubtes Leben handelt, zumindest nicht aus meiner Warte, denn will ich einem Menschen Stolz geben, dann muss ich das Mitleid ablegen und Respekt bekommen, und genau das haben WIR in der Hand. Die Schüler von Letter to the Stars haben es in der Hand, ob viele dieser betroffenen Menschen nun finden, dass ihnen Leben geraubt wurde, oder ob das alles doch Inhalt und sowas wie Sinn hatte. (Nicht auf en Holocaust, sondern auf das Selbstbewusstsein bezogen)
7) Dass ich Teil der Geschichte bin und von späteren Generationen auch damit identifiziert werden werde, d.h. in dem Sinn auch Teil und Objekt der Geschichte, denn auch wenn bekannt ist, dass nicht alle Österreicher Nazis waren, und das auch keiner der Anwesenden angenommen hat, es eine metaphysische Tätowierung auf der österreichischen Fahne gibt, die andere Menschen auf meinem Körper sehen. Eine Tätowierung, die nur ich selbst mir runternehmen kann, indem ich auf die Geschichte/Gegenwart einwirke, was ich auch täglich ohne es vielleicht zu wollen gezwungenermaßen tue. (Gestern habe ich zufälligerweise den Danzer singen gehört, dass Erwachsenwerden nur ist, dass man sich mehr vor den Dingen anscheisst als vorher und deswegen vernünftig wird.)
8) Dass Filme, Bücher, Dokumentationen nur in Kombination mit dem echten Leben erst wirklich fruchtbar sind. Weil das Leben ohne die Dokus, Filme und Bücher möglicherweise viel ärmer ist, aber diese Dokus, Filme und Bücher nie das echte Leben ersetzen können und das auch nicht dürfen.
9) Dass wir ständig dazu angehalten sind, selbst zu meinen, selbst zu wissen, spätestens seit der Aufklärung; weil die Gesellschaft, die Politik und einer selbst es von einem verlangt, zu wissen, zu meinen und Bewusstsein zu haben, weil das intuitive Parteiergreifen entweder mit Fussballmentaltät oder "weiblicher Logik" oder Extremismus verbunden wird, aber tief in uns drinnen wurzelt, wie die Liebe, oder die Moral; und dass genau in diesem Zusammenhang der Rückgriff auf sozial etabliertes Wissen von Experten ein Ausdruck dieses "Danzer-Anscheissens" ist vor der Diversität der äußeren Welt, der Weite des Horizonts und der Marginalität des eigenen Wissens ist, das einem hilft, aber dem man sich nie ganz verschreiben darf, weil es auf das Parteiergreifen ankommt. Es geht darum, manchmal entgegen dem etablierten Wissen, einen Standpunkt einzunehmen und sich nicht von der Süße einer logisch argumentieren Rationalität verführen zu lassen. (Ich sag jetzt nicht, dass "man endlich amal am Tisch hauen soll", sondern dass man im Bewusstsein über den Stellenwert bezüglich des Wahrheitsgehalts begreifen soll, dass "man kein Recht hat, zu gehorchen".)
10) Dass wenn ich Alfredo Bauer und seine Frau Gerti neben ihrer Enkelin nebeneinander sehe, mich ein unendlich lächelnder Respekt erfüllt, über die Außergewöhnlichkeit ihrer Geschichte, die bisher auf ein überaus guten Ende zuläuft. Lächelnd, weil einem selbst Geschichten mit gutem Ende besser gefallen, als welche mit schlechtem Ende. Respekt, was die beiden aus ihrem leben gemacht haben und weil sie Teil dieser kleinen Minderheit sind, denen das geglückt ist oder in dem ganzen Unglück "vergönnt war".

Zehn von 1000 Punkten, aber jetzt bin ich schon zu müde um weiterzuschreiben. Der Kopf ist schwer von der Woche... was für eine Woche....

Und ganzganzganz jenseits vom Projekt, habe ich das erste Mal vollends das Gefühl, Teil dieser Stadt zu sein. Alles ist vertraut, ich hab ein Hausi, ich hab eine Katze, die ständig Liebe fordert. Ich kaufe mir essen, ich fahre Taxi, ich suche Colectivos, ich kaufe Möbel... Ich führe Telefonate, ich schreibe Mails, ich mache Listen, ich verhandle, ich rede spanisch, ich bin müde am Abend und müde in der Früh, ich hab das Gefühl, einen Bauch zu bekommen, von der ganzen Gacke, die ich esse, ich setz mich allein in Cafés und nehme absichtlich eine Pause zum Denken, ich rauche zu hause... ich bin Teil eines selbstverantwortlichen spannenden Alltags, der so unglaublich herausfordernd ist, dass ich es nicht ertragen kann. Ich habe die Angst vor dieser Stadt verloren. Ich sehe auf einmal nicht nur die Porteño-Proleten auf der Strasse, die mir so unsympathisch sind, oder die frivole Bourgeoisie, die in ihren Marken erstickt, sondern auf einmal fühlt sich die Diversität so vertraut an. Ich sehe das Lächeln des Mistküblers genauso, wie die Buena Onda von meinen Mitbewohnern. Ich sehe die Unpackbarkeit der Dummheit auf der Strasse und die Rücksichtslosigkeit unter der Bevölkerung... und irgendwie fühl ich mich als Teil dieser Gegenwart. Liebe das Leben und das Leben und die Leute lieben Dich.
Natürlich kann man sagen, das hängt simpel mit a) Fehlen der Diplomarbeit und b) mit einer vollen Auslastung in einer Tätigkeit, die anstrengend ist, aber mir Spass macht zusammen... Das stimmt sicher, aber a) liegt das zu sehr auf der Hand b) ist der Umstand, dass ich das alles nicht immer leiwand finde (siehe Ale oder projektbezogen die Bürokrtariescheisse) eine eigene Qualität und c) fühlt sichs einfach gut an und das ist nach dieser langen Zeit des Kampfes und Krampfes eine überaus willkommene Belohnung.

Und jez is amal aus...

Leicht Jung Frisch!!!!

Samstag, 29. März 2008

Eigentlich unglaublich...

Was fuer ein Scheiss CNN ist... Gerade sehe ich die Berichte ueber die Streiks in Arg in CNN (Lateinamerika). So ein schlecht ermittelter, neoliberaler Schaas, es ist unglaublich. Und durch eine gute Marketingabteilung hat der Sender einen derartigen guten internationalen Ruf...

Das musste ich kurz loswerden. ;-)

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